23. Mai 2025 - Kategorie(n): Podcast-Folgen
Vier Jahrhunderte lang galt sie als verschollen: Die Karte des Piri Reis, auf der nicht nur Südamerika detailliert dargestellt ist, sondern auch das sagenumwobene Atlantis. 1929 wird sie im Topkapi-Serail in Istanbul wiederentdeckt, dem einstigen Palast der Sultane des Osmanischen Reiches. Nun sollen deutsche Forscher im Auftrag des neuen Herrn über die Türkei, Kemal Atatürk, untersuchen, um was für einen Fund es sich da handelt.
Nur wenig später wird die Karte zur Quelle zahlreicher Spekulationen: Konnte sie nur aus großer Höhe gezeichnet werden? Ist sie somit ein Beweis dafür, dass Menschen schon in der Antike fliegen konnten? Oder entstand die Weltkarte gar mit Hilfe von Außerirdischen? Mal sehen, ob wir das in dieser Folge endgültig aufklären können…
Mit von der Partie sind auch diesmal der Blogger Tobias Trebesius und der Karthographie-Professor Peter Mesenburg.
Ersten Teil verpasst? Hier geht’s zu Teil 1 von Die geheimnisvolle Weltkarte des Piri Reis: Der Pirat und die Außerirdischen.
Wichtige Links zu dieser Folge:
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Die Geschichtsmacher sagen: Danke!
Marko Ein schicker Saal hier mit einem prächtigen Sofa und einem Baldachin. Groß, die Wände farbig, prächlich, bemalt, üppig, verziert, arabische Schriftzeichen. Wo um Himmels Willen sind sind?
Martin Wir befinden uns im Kaisersaal im Harem des Topkapi-Serail, das ist der Sultanspalast in Istanbul. Jahrhundertelang war das das Herz des Osmanischen Reiches und jetzt ist es ein Museum.
Marko Wann ist denn jetzt?
Martin Jetzt ist Dezember 1929, wenige Jahre nachdem Kemal Atatürk aus dem Osmanischen Reich die moderne Türkei geformt hat. In der Palastbibliothek ,nicht weit von hier, sitzt der deutsche Orientalist Paul Kahle und kann sein Glück kaum fassen, denn gerade hat ihm der Museumsdirektor eine Karte zur Begutachtung gegeben, nämlich die jahrhundertelang verschollene Weltkarte des türkischen Admirals Piri Reis, oder besser gesagt einen Teil davon, auf dem Südamerika zu sehen ist. Und zwar Südamerika, bevor die Europäer je dorthin gelangt sind.
Marko Eine Sensation! Herzlich Willkommen bei…
Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.
Marko Was bisher geschah – man muss es ja mal zusammenfassen. Also Martin hat in der vorigen Folge den Piraten, Freibeuter, den Korsaren Piri Reis beschrieben, ein Mann in den Diensten des Sultans von Istanbul. Und dieser Piri Reis hat eine seltsame Karte gezeichnet. Und diese Karte war über 350 Jahre lang verschollen, bis sie jetzt gerade, wie wir gehört haben, entdeckt worden ist, im Jahre 1929. Über Piri Reis haben wir viel gesprochen. Ein Mann, der sich lange Jahre im Mittelmeer rumtrieb, um dort auch andere Schiffe zu erobern. Und auf diesem Weg hat er wohl sich die eine oder andere Karte, der Gegner stibitzt und hat diese Karten zusammengefügt zu einer großen Weltkarte, die ganz erstaunlich ist, weil sie die ganze Welt natürlich darstellt, was so Weltkarten natürlich tun, aber weil sie halt Dinge darstellte, die eigentlich zu dem Zeitpunkt, als Piri Reis sie herausbringt, noch niemand kennen konnte.
Martin Und da ist vor allen Dingen die Küstenlinie Südamerikas zu nennen, zu einem Zeitpunkt, wo die Europäer, also die Portugiesen, in dem Fall noch gar nicht gewesen sein konnten. Also man sieht zum Beispiel die Mündung des Rio Plata, die im Jahr 1513, als die Karte von Piri Reis entstand, noch gar nicht entdeckt war. Und es heißt, zur Erstellung dieser Karte ist eine Vorlage genutzt worden des Christopher Kolumbus. Eine Karte, die ebenfalls verschollen war.
Marko Der aber auf Osmanisch Colümbü heißt.
Martin Wie wir letzte Woche rausgefunden haben.
Marko Was ich natürlich viel lustiger finde. Also die sagenumwobene Karte des Christopher Columbus von seiner Hand gezeichnet, des Herrn Colümbü. Und Herr Colümbü, von dem hat er es abgepinselt, aber dann ist diese Karte verschollen und Piri Reis ist in Ungnade gefallen und damit ist auch seine Karte verschwunden.
Martin Und 1929 wird sie eben wieder entdeckt im Sultanspalast. Das ist jetzt nicht so wirklich überraschend, weil Piri Reis seine Weltkarte dem Sultan damals übergeben hat. Und der Sitz des Sultanes war nun mal eben der Topkapi-Serail. Und insofern ist es nicht ganz verwunderlich, dass die da zu finden ist. Aber sie war wohl zwischenzeitlich einfach nicht aufzufinden. Irgendwo hat sie wahrscheinlich eingestaubt gelegen. Und niemand hat sich dafür interessiert.
Marko Was ja seltsam ist, weil diese Karte ja dann damals zumindest das modernste vom modernen war, wie man sozusagen auf die Welt gucken konnte.
Martin So ist es aber, wie das manchmal so ist.
Marko Der Sultan hatte andere Sorgen?
Martin Wahrscheinlich.
Marko Der wollte nicht in die Welt gucken.
Martin Keine Ahnung, auf jeden Fall ist es so gewesen, dass im Jahr 1929 dieser Palast bereits umgewidmet war in ein Museum und die Gewölbe und die Bibliotheken und Archive voll waren mit allem Möglichen und der Staatsgründer Kemal Atatürk hat sich Leute geholt, international Wissenschaftler herbeigeschafft, die sich um dieses Osmanische Kulturgut kümmern sollten und es sortieren sollten und gucken, was man damit anfangen kann.
Marko Da holt er sich ausgerechnet so ein paar Deutsche?
Martin Ja, die Verbindungen zu Deutschland waren immer sehr eng zwischen dem Osmanischen Reich und Deutschland. Es gab ja jahrhundertelange Beziehungen schon zwischen den beiden Großreichen. Im Ersten Weltkrieg gehörte das Osmanische Reich mit zu den sogenannten Achsenmächten, also Deutschland, Österreich, Italien und dann eben das Osmanische Reich mit dazu. Es gab diese Projekte, diese Hightech-Projekte wie zum Beispiel die Bagdad-Bahn, die so ein Konkurrenzprojekt zum Orient Express darstellen sollte.
Marko Wo auch deutsche Ingenieure mit gebaut haben.
Martin Genau. Also insofern gab es da traditionell gute Kontakte und es gab viele deutsche, hochkarätige Weltklasse-Orientalisten. Und die hat sich dann der gute Kemal Atatürk nach Istanbul eingeladen, damit die sozusagen das mal auf Vordermann bringen, was da im Palast alles zu finden war. Und einer davon ist Paul Kahle gewesen. Paul Kahle hat in den 1920er Jahren das Seminar für Orientalistik in Bonn aufgebaut und kam dann 1929 im Fahrwasser von Adolf Deißmann nach Istanbul, das ist ein Papyrologe. Der hatte die Einladung erhalten, den Archivbestand des ehemaligen Sultanspalastes eben zu sichten, diesen Topkapi-Serail, und Deißmann schreibt in seinen Erinnerungen darüber, wie er an die Karte gelangt ist, und zwar über den Generaldirektor des Museums, ich hoffe, ich spreche das jetzt richtig aus, Halil Bey, wenn du mal lesen magst, Marko.
Marko liest Adolf Deißmann Als ich im Herbst 1929 die mir von Halil Bey übergebenen Stücke untersuchte, ordnete und mich dabei mehr und mehr davon überzeugte, wie bedeutend die geografischen Bestände der Sultansbibliothek seien, bat ich Halil Bey, er möge doch seinerseits Nachforschungen anstellen, ob noch anderes seither unbekannt gebliebenes Material an Karten und dergleichen vorhanden sei. Halil hat meine Bitte sofort mit Eifer und bestem Erfolg erfüllt. Er konnte mir am 9. Oktober 1929 ein ganzes Bündel orientalischer und abendländischer von ihm neu entdeckter Karten übergeben, einschließlich einer sehr eigenartigen türkischen Karte.
Martin Also Deißmann weiß offensichtlich nicht so recht, was er von dieser Karte halten soll.
Marko Eine eigenartige türkische Karte.
Martin Und deswegen fragt er seinen Kollegen Paul Kahle. Und Paul Kahle, der weiß es.
Marko Ich bin jetzt Paul Kahle.
Martin Jetzt bist du Paul Kahl.
Marko Ich bin gleich zwei – wie anstrengend.
Marko liest Paul Kahle Eines Tages zeigte mir Professor Deißmann, der mein Interesse an alten Seekarten erkannt hatte, eine ganze Anzahl von diesen verschiedener Art, die sorgfältig im Serail aufbewahrt waren. Und unter diesen befand sich eine prächtige, mit bunten Farben auf Pergament gezeichnete Karte.
Martin Und Karle hat da gleich eine Ahnung, denn der ist Spezialist für alte Handschriften, aber hat sich eben auch auf Karten spezialisiert. Das hat mir Tobias Trebesius erzählt, der ist Geschichtsblogger und hat sich lange mit Karten generell, aber auch ganz speziell mit dieser Karte beschäftigt.
Tobias Trebesius Sein Forschungsgegenstand war unter anderem ein Segelhandbuch fürs Mittelmeer aus dem frühen 16. Jahrhundert, das erstellt wurde von Piri Reis damals. Piri Reis hatte, das war das Standardwerk der damaligen Zeit, also jeder der am Mittelmeers segeln wollte im Osmanischen Reich, der hat dieses Segel-Handbuch zurate gezogen und es ist auch gut überliefert in mehreren Ausgaben und vollständig. Und das war der hauptsächliche Forschungsgegenstand von Paul Karle zu jener Zeit. Und interessanterweise hat Piri Reis in diesem Segelhandbuch auch angemerkt, dass er erstens eine Weltkarte gezeichnet habe und dass sie zweitens die Darstellung der neuen Welt dort auf eine Originalkarte von Christoph Kolumbus zurückgehe. Also Paul Kahle wusste, dass diese Weltkarte existieren mussten. Er war natürlich sehr aufgeregt und sehr freudig. Er hat anhand der Aufschriften auf der Karte eben, also da stand eben auch der Vermerk von Piri Reis selbst: Ich, Piri Reis, habe diese Karte gezeichnet. Und auch anhand der Machart, weil er eben dieses Seefahrerhandbuch von Piri Reis kannte, hat er sie sofort erkannt. Ihm ging es vor allem um die verschollene Kolumbuskarte. Die eben laut den Angaben von Piri Reis selbst in seinem Besitz gewesen war und die eben in diese Weltkarte mit eingeflossen ist. Es war damals auch schon bekannt und verbürgt, dass Kolumbus eine Karte gezeichnet hat auf seinen Reisen. Aber die galt als verschollen, die konnte nicht gefunden werden. Deswegen war dieser Hinweis von Piri Reis, dass er im Besitz einer Karte von der Hand des Kolumbos war, so aufsehenerregend für Paul Kahle.
Marko Und jetzt wird diese Karte nach mehr als 350 Jahren wird die wiedergefunden. Das muss doch einen Riesenaufschrei in der Welt gegeben haben. Das muss ja dann die erste Zeichnung von Amerika gewesen sein, die erste Zeichnungen von Colümbüs eigener Hand. Okay….
Martin Die Vorlage war von…
Marko …in einer Kopie des Herrn Piri Reis. Das muss doch eine Sensation gewesen sein.
Martin Ja, erst mal nicht so wirklich. Also, in der Fachwelt gab es schon so ein paar Artikel. Es gab auch in der Presse das ein oder andere. In der Tat, die Amerikaner waren sehr an dem Thema interessiert, weil die natürlich auch sozusagen nach ihren eigenen Ursprüngen immer gerne geforscht haben und geguckt haben, wo gab’s denn da die ersten Karten, wo vielleicht der amerikanische Kontinent zum ersten Mal auftaucht.
Marko Wo wir auch drauf sind.
Martin Und das war schon von einem gewissen Interesse. Aber so richtig groß ist das Thema gar nicht in Erscheinung getreten. Es ist letztendlich versickert. Und dann gab’s 1936, also ein paar Jahre später, eine türkische Historikerin und Soziologin namens Afet Inan. Ich hoffe, ich sprech das richtig aus. Und die hat diese Karte dann auch untersucht. Sie ist diejenige, die zum ersten Mal behauptet, dass diese Karte für ihre Zeit außergewöhnlich exakt sei, wenn du mal lesen magst.
Marko liest Afet Inan Die Maßstäbe in Meilen sind erstaunlich genau. Verglichen mit den anderen Karten dieser Zeit ist die von Piri die vollkommenste und originellste und überlegen unter dem Gesichtspunkt einer fortgeschrittenen kartografischen Technik. Sie wurde mit einem fortgeschrittenen wissenschaftlichen Geist und einer fortgeschrittenen wissenschaftlichen Methode erstellt.
Marko Ja, die hat es aber mit fortgeschritten…
Martin Jaja, absolut. Wir haben natürlich im ersten Teil darüber gesprochen. Das ist ja schon durchaus so, dass er sehr fortschrittlich vorgegangen ist und hat diese Karten aus allen möglichen unterschiedlichen Quellen genommen und versucht, die irgendwie übereinanderzubringen und ist auch quasi interkulturell unterwegs gewesen. Und das ist schon sehr fortsschrittlich gewesen. Was man aber, um diese Aussage einzuordnen, wissen sollte, Afet Inan war die Adoptivtochter von Kemal Atatürk. Und Kemal Atatürk war natürlich daran interessiert, die Überlegenheit der türkischen Kultur und Wissenschaft zu betonen.
Marko Deswegen waren die auch immer so fortschrittlich.
Martin So fortschrittlich, ja, natürlich. Wenn es darum geht, einen Staat aufzubauen, das Alte wegzuwischen … und etwas ganz Neues zu machen. Und nach westlichem Vorbild, der war ja sehr westlich orientiert. Dann ist das natürlich super. Und wenn du dann eben so eine Karte hast, die so fortschrittlich gewesen ist, 400 Jahre früher, dann ist das natürlich prima, wenn man damit den türkischen Nationalismus befeuern kann.
Marko Nun haben natürlich die Türken so manches kulturelles Großes geleistet, worauf man also stolz sein konnte. Aber jetzt auch noch so eine tolle Karte und damit waren sie sozusagen Mit-Kartografen dieser Welt und Mitentdecker der neuen Welt. Das ist natürlich schon mal was.
Martin Aber man muss eben das, was sie da geschrieben hat und mit diesem unglaublichen wissenschaftlichen Geist und fortgeschrittenen wissenschaftlichen Methode, das muss man halt immer mit so ein bisschen, der Engländer sagt „with a pinch of salt“. Also das muss man…
Marko … Kritischen Auges.
Martin Ja, sehen. Also Afet Inan hat mehrere Bücher zu diesem Thema veröffentlicht, aber international blieb das Ganze weitgehend unbeachtet. So richtig ins Rollen ist die Geschichte gekommen 1956, da hat ein Angehöriger der türkischen Marine seine Kollegen von der US- Navy besucht und hat als Gastgeschenk eine Kopie der Piri Reis-Karte mitgebracht. Und die Amerikaner hatten so etwas noch nie gesehen. So eine Karte, so alt und offensichtlich wussten die auch nicht, dass es 20 Jahre vorher, 25 Jahre vorher da schon mal so einen gewissen Wirbel drum gegeben hat. Also das war denen komplett unbekannt. Und sie wussten auch nicht so recht zu deuten, was das denn alles sein könnte und haben dann einen externen Fachmann zurate gezogen. Und das war der amerikanische Hobbyforscher Arlington H. Mallery.
Tobias Trebesius Das war ein pensionierter Navy-Angehöriger und war ein Spezialist, also eigentlich auch ein Hobbyforscher, aber ein Spezialist für alte Karten. Und der hat diese Karte untersucht und kam als erster mit der Theorie, dass eben diese Küstenlinien sehr genau wären, also die Küstenlnien Amerikas, speziell Südamerikas und auf der Piri Reis-Karte, was eben auch noch etwas Besonderes ist, knickt die Küstenninie Südamerkas ganz im Süden nach rechts ab, also nach Osten. Und Mallery hat dann postuliert, dass diese Küstenlinie ganz im Süden die Antarktis zeige und zwar die Antarktis, bevor sie vereist wäre, also die wahre Küstenline des antarktischen Festlandes. Und mit der Theorie ging er 1956 an die Öffentlichkeit und er war es auch, der als erstes in einer Radiosendung behauptete, dass das möglicherweise über 10.000 Jahre alt sei, die Vorlage für die Piri Reis-Karte und dass sie möglicherweise auf Luftaufnahmen basiere.
Marko Ja, das ist natürlich die große Frage. Also auf der Karte, ich habe sie mir ja angeguckt, ist die Antarktis ja noch verbunden mit Südamerika? Und ich meine, war sie denn vor 10.000 Jahren jemals verbunden mit Südamerika?
Martin Da muss ich jetzt auch spekulieren, das kann ich dir ehrlich gesagt nicht sagen, ob das so gewesen ist, was da die Geologen genau dazu sagen würden. Das weiß ich nicht, das kann ich dir nicht sagen. Aber er hat diese These jedenfalls sehr, sehr klug vorgetragen und hat damit eine breite Öffentlichkeit erreicht.
Marko Das muss, man muss man jetzt mal sagen also der von uns allen viel gelesene Erich von Däniken hat sich das gar nicht ausgedacht, sondern dieser Hobby-Forscher Arlington H. Mallery hat gesagt: Na, das muss ja viel älter sein – 10.000 jahre mindestens – und muss wohl auf einer Luftaufnahme basieren – dessen Idee war das?
Martin Ja. Also, Herr Erich von Däniken hat, glaub ich, das Allerwenigste sich selbst ausgedacht. 1956 ist Mallery an der Georgetown University gewesen und hat da an einer Radiodiskussion teilgenommen. Und das ist quasi der Urknall für diese Spekulation gewesen. Denn da sagt er zum ersten Mal – und das ist ja eine seriöse Veranstaltung, Georgetown University und so, da trägt er zum ersten Mal vor, dass diese Karte viel älter sein muss, tausende Jahre alt und von einer prähistorischen Kultur erstellt worden sein muss. Und zwar eine Hochkultur mit Experten in Schiffsbau, in Seefahrt, in Erkundung, in Vermessung, Hydrographie, Astronomie, höhere Mathematik, detaillierte Kenntnisse der Außenwelt, also alles was um sie herum ist. Und um all das machen zu können, was ich gerade aufgezählt habe, natürlich auch mit einer gut organisierten Regierung. So und dann kommt er auf den Trichter: Um diese Karten zu machen, könnten sie womöglich Flugzeuge eingesetzt haben für die Darstellung von Nord- und Südamerika. Und von dieser Diskussion ist eine Aufnahme erhalten.
Marko Ach, ja.
Martin Und der Moderator fragt, wie so etwas möglich sein kann, dass diese Karte mit Methoden erstellt worden ist, die wir erst seit Kurzem kennen. Und Mallery antwortet, ja, das ist eine große Frage, wie zum Beispiel die Gebirgsketten von Kanada und Alaska so akkurat in dieser Karte eingezeichnet werden konnten. Hören wir mal rein.
O-Ton Mallery Englisch – unübersetzt.
Martin Also Mallery spekuliert hier, dass es kaum möglich gewesen sein könne, ohne Flugzeuge diese Karten zu erstellen, zumal die Längengrade exakt stimmten und die Bestimmung der Längengrade lange Zeit ein großes Problem für die Seefahrt war. Und das sei ein Problem gewesen, das erst seit 200 Jahren gelöst sei. Na gut, tatsächlich waren es 300 Jahre, aber das lassen wir mal dahingestellt. Also, er ist jedenfalls, dieser Mallery, der Erste, der tatsächlich behauptet: Ja, das muss irgendeine frühere Zivilisation gewesen sein, die eben über eine solche Technik verfügt, dass man Aufnahmen auch aus großer Höhe macht.
Marko Mit prähistorischen Flugzeugen und er bezieht sich dabei auch noch auf eine griechische Tradition des Fliegens. Das kennen wir ja alle, von Daedalus und Ikarus, nicht wahr. Die Griechen konnten fliegen. Wir wissen das. Ja – totaler Schwachsinn natürlich.
Martib Ja, das sagst du. Also er hatte damals offensichtlich eine recht breite Bühne und wenn man das dann so hinnimmt und überlegt, na ja, das könnte ja vielleicht doch sein, dass es schon mal vor unsere Hochzivilisation andere Hochzivilisationen gegeben hat, die eben auf einem ähnlichen technischen Stand gewesen sind.
Marko Und von denen bleibt natürlich nichts übrig, außer das, was am vergänglichsten ist, nämlich eine Karte. Also Gebäude natürlich nicht aus Stein und alle anderen Dinge natürlich nicht, aber eine Karte.
Martin Oder es waren eben vielleicht außerirdische Astronauten. Und da sind wir ganz schnell bei der Präastronautik und dann kommen wir zu unserem guten alten Freund Erich von Däniken. Da ist der Weg dann natürlich ganz kurz.
Marko Ja klar, ich meine, Erich von Däniken ist natürlich jemand, der alles, was sozusagen seine Theorie irgendwie bedienen könnte, da hineinwebt und ja, natürlich.
Martin Da kommt so eine Karte natürlich sehr gelegen.
Marko Die kommt natürlich sehr gelegen, völlig klar. Da unterscheidet er sich übrigens auch nicht von anderen Wissenschaftlern, die machen das, wenn sie seriös sind, auch nicht anders. Also alles, was die eigene Theorie stützt, ist natürlich immer willkommen. Aber so weit ist er noch nicht. Der Mallery ist noch nicht so weit, dass er sagt, das wären die Außerirdischen gewesen?
Martin Ne, also da weiß ich nichts darüber, dass er das mal irgendwann behauptet hat, das ist dann tatsächlich Eigenleistung von Erich von Däniken. Und der hat ja so ein ganz eigenes Weltbild gehabt.
Tobias Trebesius Er hat behauptet, dass viele unserer alten Sagen und Legenden, also unsere Götter letztendlich, auf außerirdische Astronauten zurückgehen, die die Erde besucht haben in prähistorischer Zeit und die von uns eben, weil sie sehr viel weiter entwickelt waren und wir waren noch in der Steinzeit und deswegen wurden die von uns als Götter angesehen und dass darauf auch unsere Götter und unsere Sagen und Legend basieren. Und weitergehend ging es noch so weit, dass eben diese Götter uns auch, unsere Zivilisation quasi, gefördert und angestoßen haben.
Martin Das ist ja eine hübsche Idee. Da haben wir ja im letzten Teil auch schon drüber philosophiert, dass uns das als Kinder, als Jugendliche sehr fasziniert hat.
Marko Ja, ich erinnere mich auch noch an eine Radiosendung, die Erich von Däniken damals mitmoderiert hat, im RTL-Radio.
Martin Ach so, ich dachte schon im Öffentlich-Rechtlichen…
Marko Nein, auf RTL, es gab ja auch Radio Luxemburg, gab es auch zu hören. Und meine Oma hatte das immer an ihrem Küchenradio eingestellt. Und da gab es die Sendung auch mit Erich von Däniken. Die nannte sich „Unglaubliche Geschichten“. Der spielte da sozusagen mit und hat dann auch da mit Rainer Holbe, ja, Rainer Holbe hat das moderiert, hat dann dem Rainer Holbe erklärt, wie die dann früher da irgendwie die Außerirdischen gekommen sind und wie die als Götter angebetet worden sind. Und das klang ja auch erstmal ganz plausibel, also wenn Außerirdische auf die Welt kommen und sind uns tausende Male überlegen, dass wir die dann für Götter erachten, ist jetzt nun nicht so, könnte man verstehen.
Martin Ja, und dann kann man natürlich auch diverse Dinge, die man auch wirklich nur aus der Luft wirklich als Figuren erkennen kann, wie diese berühmten Nazca-Linien zum Beispiel. Kann man natürlich dann auf die Idee kommen, dass das nur von Außerirdischen gemacht worden sein kann.
Martin Die Nazca-Linien waren diese in Fels geritzten Zeichnungen.
Martin Ja, diese Vögel vor allen Dingen, das sind Vogelfiguren, die aber eben vom Boden aus nicht zu erkennen sind. Sondern man muss sich wirklich in die Luft bewegen, um drauf zu gucken, um dann zu sehen, aha, das soll ein Vogel sein. Aber es gab natürlich auch andere Dinge, also ägyptische Hieroglyphen und Wandgemälde, wo man …
Marko Der Maya-Kalender.
Martin Ja, der Maya- Kalender, aber eben auch Gemälde, wo man glaubte, vielleicht Weltraum-Helme zu erkennen, Raumanzüge und ähnliche Dinge.
Marko Ja, wenn man sich so ägyptische Zeichnungen ansieht in Gräbern oder Darstellungen von Göttern, kann man ja schon durchaus auf den Gedanken kommen, dass die ab und zu vielleicht so ein bisschen aussehen wie das, was wir so, wie kleine Kinder so Außerirdische malen.
Martin Und diesen Foh hat dir und uns allen Erich von Däniken, ins Ohr gesetzt. Ich nehme mal an, die Sendung bei RTL war wahrscheinlich in den 80er Jahren, als du das als Kind gehört hast.
Marko 70er, 80er muss das gewesen sein.
Martin Und die 70er und frühen 80er-Jahren waren auch eine Zeit, in der das unglaublich geboomt hat. Zwischendurch war sogar von einer Dänikitis die Rede, also Erich von Däniken – Dänikitis – also die Sucht nach allem, was an Übersinnlichem oder jenseitigen Parawissenschaftlichem zu finden sei. Und das erste Buch, was er veröffentlicht hat, was diese Lawine, könnte man fast sagen, diese Dänikitis ausgelöst hat, das war 1968 das Buch Erinnerungen an die Zukunft. Das war ein Riesenerfolg. Innerhalb weniger Monate wurden 200.000 Exemplare verkauft und dann ein Jahr später waren es schon 600.000. Das Ganze ist verfilmt worden und das ist das Buch, wo eben im dritten Kapitel die Entdeckung von 11.000 Jahre alten Landkarten berichtet wird. Marko, liess mal.
Marko liest Erich v. Däniken Aus Vergleichen mit modernen Satellitenaufnahmen unserer Erdkugel ging hervor, dass es sich beim Ur-Original der Piri-Reisschen Karten um Luftaufnahmen aus extremer Höhe gehandelt haben muss. Wie ist dies zu erklären? Fraglos haben unsere Vorfahren diese Karten nicht gezeichnet. Doch unzweifelhaft ist, dass diese Karte mit modernsten technischen Hilfsmitteln aus der Luft hergestellt worden sein müssen. Diese Kartografie unseres Erdballs wurde von einem sehr hoch fliegenden Flugzeug oder von einem Raumschiff aus gemacht. Die Karten des türkischen Admirals sind freilich keine Originale. Sie sind Kopien von Kopien und nochmals Kopien von Kopien. Aber wer immer sie vor Jahrtausenden machte, musste fliegen und sogar fotografiert haben können. Sicherlich verschlägt diese Behauptung manchem den Atem. Uralte Karten, aus großen Höhen angefertigt, ein Gedanke, den man besser nicht zu Ende denkt.
Martin Aber genau das ist es natürlich, was viele dazu ermuntert, diesen Gedanken zu Ende zu denken und weiter zu spinnen und immer weiter zu drehen. Und mit dem wunderbaren Medium des Internets gibt es natürlich beste Gelegenheiten, genau diese Gedanken ja nicht nur weiter zu spinnen, sondern zum Durchdrehen zu bringen. Ich habe da was auf TikTok gefunden, das ist, glaube ich, aus dem letzten Jahr. Lass uns mal reinhören.
O-Ton Tiktok Mann1: Die Perspektive aus der er die Karte gezeichnet hat, nennt man Azimutalprojektion. Vogelperspektive von oben. Wie soll das 1530 möglich sein? Weil die Azimutalprojektion kannst du nur mit Satelliten machen.
Mann 2: Da ist so krass, das geht so, kann man, konnte man auch früher nicht Karten zeichnen.
Mann 1: Nein, das geht nicht, Bruder, das ist unmöglich. Deswegen sage ich hier mit Aliens – Erich von Däniken, ein Schweizer Buchautor, behauptet in seinem Buch, Götterastronauten, dass Piri Reis die Karte nur mit Hilfe Außerirdischer zeichnen konnte. Weil du Azimuthalprojektion nur mit Satelliten zeichnet kannst, außer aus dem Welt…
Martin Ja, da bricht es leider ab.
Marko Die Jungs sind sich doch einig.
Martin Also Erich von Dänikens Buch ist 1968 rausgekommen, jetzt sind wir 55 Jahre weiter.
Marko Und auf TikTok glauben die Jungs immer noch an Erich von Däniken, herzlichen Glückwunsch da draußen.
Martin Ja, wunderbar.
Marko Aber ich meine, kann nicht was dran sein. Martin, Azimutalprojektion. Wie machst du es denn sonst?
Martin Das klingt natürlich total super, das muss man erst mal aussprechen können: Azimutalprojektion. Also das ist eine bestimmte Projektionsart. Also wenn wir jetzt mal so ein bisschen ans Grundsätzliche gehen, wie entsteht eine Karte? Also das Grundproblem ist ja, ich habe einen grundsätzlich erst mal dreidimensionalen Körper, nämlich die Erdkugel, und die muss ich irgendwie in 2D darstellen. Also wie kriege ich das auf eine flache Karte. So, die einfache Antwort ist: gar nicht. Geht nicht. Also, jedenfalls nicht unverzerrt. Man kann das projizieren, eine Projektion machen, aber du wirst dabei immer irgendwelche Verzerrungen haben. Entweder sind die Längen verzerrt, oder die Winkel sind verzerrt. Und je nach Zweck der Karte gibt es eben unterschiedliche Projektionen. Die bekannteste ist die Mercator-Projektion, weil man damit prima navigieren kann. Du als Segler, ich als Segelflieger. Wir haben immer die Mercator-Projektion, weil man da eben prima drauf schauen kann und einen Kurs berechnen kann und dann kommt man hoffentlich auch da an. Bei der Azimutalprojektions, das ist jetzt eine ganz spezielle, da kannst du dir einen Globus vorstellen und wenn du auf diesen Globus ein Stück Pappe auflegst, also obendrauf, tangential sagt man in der Mathematik, zum Beispiel am Nordpol, dann kann ich die Oberfläche des Globus auf diese Pappe projizieren, also quasi den Globus schälen, wie so eine Orange, und das Ganze darauf projizieren. Das ist eine Azimutalprojektion.
Marko Und diese Piri-Reis-Karte soll so eine Azimutalprojektion sein?
Martion Das weiß kein Mensch, was das für eine Projektion ist. Vermutlich ist es gar keine Projektion oder ein Mischmasch aus verschiedensten Projekten. Wir haben ja gesagt und wir haben es im ersten Teil ja intensiv besprochen, das ist ja so eine Art Frankenstein-Monster diese Karte, aus über 20 anderen Karten zusammengefügt. Und was die dann jeweils wieder für eine Projektion benutzt haben oder auch gar keine, weiß kein Menschen. Also das, was die beiden Jungs da erzählen, ist von daher schon mal völliger Quatsch, dass das eine Azimutalprojektion wäre, und zum anderen ist es auch deswegen Quatsch, weil natürlich kann man die auch herstellen, wenn man nicht aus der Vogelperspektive, wie sie sagen, von oben drauf guckt. Das kann man auch von der Erde aus machen. Das ist also völlige Mumpitz.
Marko Okay, also man braucht keine Außerirdischen, um diese Azimutalprojektion hinzukriegen.
Martin Ne. Aber die Frage ist natürlich, könnte sie, oder die Vorläuferkarten davon, das ist ja das, was der Erich von Däniken behauptet, sind die Vorläufer-Karten von dieser Karte vielleicht doch von Außerirdischen gemacht?
Marko Naja, also wir halten mal fest, dass zumindest eine Verbindung zwischen Antarktis und dem südamerikanischen Festland besteht. Ich weiß nicht, ob das jemals in der Geschichte der Erde so war. Gleichzeitig fließt aber der Rio de la Plata immer noch da, wo er heute fließt. Und den konnte eigentlich immer noch keiner kennen. Also diese Frage ist ja immer noch, die steht im Raum? Also wenn man nicht wusste, wo der liegt und er ist trotzdem einigermaßen korrekt gezeichnet. Kolumbus war aber noch nicht da und es wird ja noch eine ganze Weile dauern bis da jemand hinkommt nach Piri Reis. Also woher soll er jetzt diese Information gehabt haben, egal welche Projektion er jetzt da irgendwie benutzt.
Martin Das ist eine gute Frage und die Frage ist tatsächlich auch ungelöst, aber wenn wir jetzt zum Thema Außerirdische kommen und haben die vielleicht Hilfestellung gegeben: Das Thema, über das wir jetzt sprechen müssten, ist das Thema Genauigkeit und Detailiertheit. Denn die große Frage ist, ist diese Karte denn tatsächlich so genial genau, wie von Däniken das behauptet hat. Und da kommt der Kartografie-Professor ins Spiel, den man in der letzten Folge schon hatten: Peter Mesenburg aus Essen. Und der hat mir erzählt, dass ihm seine Frau um die Jahrtausendwende von einer Reise nach Istanbul einen Nachdruck der Karte mitgebracht hat. Er kannte die Karte überhaupt nicht von Piri Reis. Und dann hat Peter Mesenburg gedacht, das ist doch ein schönes Projekt für meine Doktoranden am Kartografischen Institut in Duisburg-Essen und die haben sich dann diese Karte mal genauer angeschaut und haben geguckt, wie genau sie denn eigentlich ist?
O-Ton Peter Mesenburg Naja, auf den ersten Blick haben wir gedacht, dass es eigentlich vom Prinzip her eine sehr schöne und sehr genaue Karte ist. Und Europa und Afrika passen natürlich toll, das muss man sagen, das passt wirklich gut. Und die Küstenlinie von Lateinamerika ist nicht schlecht. Das hat uns dann dazu geführt, dass wir diese Karte mal untersucht haben, um mal festzustellen, wie genau sie denn ist. Auf der Karte sind, weiß ich nicht, ungefähr 20 unterschiedliche Karten aufgeführt, die also zur Konstruktion dieser Karte beigetragen haben könnten, unter anderem auch eine Karte von Kolumbus. Das hat uns natürlich interessiert und gesagt, also wenn eine Kolumbus-Karte mit gewissermaßen dazu beiggetragen hat, zur Darstellung von Amerika, vom nördlichen Teil, von Kuba und Haiti, Hispaniola damals, dann müsste das ja eigentlich vom Prinzip her ein Teil sein, der sehr genau ist. Das Ergebnis ist, leider ist das nicht so, die Darstellung von Kuba und Haiti ist relativ ungenau, also denke ich mal, dass das keine Karte von Kolumbus gewesen sein könnte, zumindest nicht in diesem Teil. Also das wäre dann wahrscheinlich wesentlich genauer aufgemessen worden. Also die Darstellung, die in der Piri Reis-Karte ist, ist nicht zutreffend, das kann man so sagen. Die Ergebnisse waren leider enttäuschend. Jedenfalls die Gegend, in der Kolumbus seinerzeit gelandet war, ist nicht besonders gut dargestellt. Das ist sehr schade.
Martin Tja, also eigentlich eine Enttäuschung auf ganzer Linie.
Marko Naja, das haben wir schon in der ersten Folge festgestellt, dass die Karibik eigentlich nur so Gekleckse ist. Das ist natürlich jetzt so die Frage, war denn Columbus, Colümbü, war er denn wirklich ein guter Kartograf? Ich meine, der ist da erst mal rübergefahren und hat da erst mal ganz andere Sorgen. Da waren Indianer, die einen waren ihm nicht vor – also Indianer darf man ja nicht sagen. Er hat sie Indianer genannt, weil er dachte, er wäre in Indien. Aber diese Ureinwohner waren ihm erst mal nicht freundlich gesonnen, dann musste er mit denen verhandeln. Zum Kartografieren hatte der, glaube ich, am Anfang nicht so wahnsinnig viel Zeit. Wenn es eine sehr frühe Karte war, hat er wahrscheinlich irgendwie nur was dahin geschmiert, so ungefähr.
Martin Vielleicht war er auch einfach nur ein schlechter Kartograf, weil er ja auch noch jahrelang glaubte, er wäre tatsächlich nach Indien gekommen und habe da kein neues Land entdeckt. Also, man weiß es nicht so ganz genau. Das Problem ist nur, dass eben nicht nur die Karibik schlecht dargestellt ist, sondern beim Rest der amerikanischen Küstellinie galt Ähnliches, als die Studenten von Peter Mesenburg das nachgemessen haben.
Marko Was genau haben Sie denn nachgemessen?
Martin Wie haben die das gemacht? Sie haben mehrere Referenzpunkte gewählt, also Flussmündungen, markante Buchten und andere markante Ecken, die in dieser Karte eingezeichnet sind und haben die Lage zueinander gemessen und die Entfernung untereinander und haben das dann verglichen mit modernen Karten. Also, die haben dann verschiedene Projektionen drüber gelegt, haben wir eben drüber gesprochen, also eine Mercator-Projektion drübergelegt, eine Zylinderprojektion, eine Kegelprojektions, auch eine Azimutalprojektion und haben dann geguckt, wo passt es am besten, mit welcher Projektion kann man da am besten das Ganze annähern, die Punkte annähern und haben dann die mittlere Abweichung dieser einzelnen Punkte bestimmt. Und das Ergebnis war so detailliert, wie diese Darstellungen auch sind, so fein das alles zisilliert ist. Das Allermeiste passt einfach nicht.
O-Ton Peter Mesenburg Denn wenn man diese Karte von Piri Reis untersucht, wird man feststellen, dass die Abweichungen durchaus beträchtlich sind. Wir haben das untersucht, wie genau denn diese Karte ist. Wir kriegen also bei jedem Gebiet eine andere optimierte Abbildung, was darauf hindeutet, dass also keine einheitliche Abbildung der Karte zugrunde liegt. Der mittlere Fehler der Standardabweichung liegt dann schon bei 150 Kilometern. Und wenn wir alle Punkte einbeziehen, dann kommen wir auf einen mittleren Fehler von Standardabweisung von etwa 400 Kilometern. Das ist natürlich nicht sehr genau, das muss man schon sagen. Also 400 Kilometer ist schon ein ziemlich großer Fehler.
Marko Na gut, da kann man ja sagen, hat er sich vielleicht ein bisschen vertan, wenn auch um 400 Kilometer, aber nichtsdestotrotz. Er hat ja einen Rio de la Plata eingezeichnet, er muss also gewusst haben, dass es ihn gibt. Oder war die Fantasie so groß, dass er sich den ausgedacht hat. Also das wird man ja nie auflösen können.
Martin Ja, also, was er sich da ausgedacht hat und wo er tatsächlich auf reale Vorbilder und Karten zurückgegriffen hat, die er eben vorliegen hat. Da reden wir gleich auch noch mal drüber. Aber der Punkt ist jedenfalls, dass diese wahnsinnsgenaue Karte, die also da von Leuten wie Erich von Däniken wieder so nach vorne gebracht worden ist, diese Karte ist eben auch nicht genauer als andere Karten aus dieser Zeit. Und es ist halt verführerisch, das sagt der Geschichtsblogger Tobias Trebesius, diese ganzen Einzelheiten wie Buchten, Gebirgszüge, die verleiten zu dem Schluss, dass die Weltkarte von Piri Reis eben besonders exakt sei. Und das stimmt so eben nicht.
Tobias Trebesius Detailreichtum oder eine detaillierte Darstellung wird gerade von Hobbyforschern oder Pseudowissenschaftlern mit Genauigkeit gleichgesetzt. Das ist aber nicht der Fall. Und wenn man sich die Mühe macht und die Karte wirklich mit einer heutigen vergleicht, also speziell die Küstenlinie Brasiliens, dann sieht man, die ist zwar detailliiert dargestellt, die ist aber nicht sehr genau. Weil da findet man wenig Übereinstimmung im Detail.
Martin Also, wir lernen, Detailreichtum ist nicht gleich Genauigkeit, das ist …
Marko Ja, eine Binsenweisheit, Martin, aber du musst natürlich sagen, das ist ja auch eine Karte von vor 11.000 Jahren, da haben sich noch die Kontinente verschoben zwischendrin. So ein bisschen und dann ist da hier und da noch ein bisschen ein Gebirge neu entstanden und Flussmündungen haben sich verschoben, so ist das nun mal, Ungläubiger.
Martin Ja, das mag alles sein. Fakt ist, um eine Karte zu zeichnen, die so aussieht wie die von Piri Reis, braucht man keine Außerirdischen. Das sagt jedenfalls der Kartograf Peter Mesenburg. Und das braucht man heute nicht. Und das brauchte man damals, zur Zeit von Pri Reis auch nicht.
O-Ton Peter Mesenburg Nein, natürlich nicht. Nein, es ist durchaus möglich, eine Karte zu zeichnen, ohne dass man was weiß ich dafür in den Orbit geht und von dort aus Luftaufnahmen macht. Wenn es die Außerirdischen gewesen wären, die das gemacht hätten, dann hätten sie das sicherlich viel genauer gemacht, als Piri Reis das realisiert hat.
Martin Ja, also natürlich muss man nicht fliegen können, um eine Karte zu zeichnen. Man hat auch schon im 19. Jahrhundert gute Karten gezeichnet.
Martin Jaja, also wie gesagt, auch Karten aus dem 16. Und 17. Jahrhundert sind schon gut. Auf diesen kleinen Maßstäben mit den so genannten Portolan-Karten konnte man auch eben schon im ausgehenden Mittelalter wunderbar navigieren. Nur eine Weltkarte ist halt dann doch nochmal was anderes.
Marko Ja, weil die Dimension natürlich auch riesengroß ist und weil die Erdkrümmung natürlich immer mehr zu Buche schlägt, völlig klar. Aber vom Prinzip her, klar, würde das schon auch anders gehen. Aber jeder Däniken-Jünger würde natürlich sagen, es ist natürlich totaler Blödsinn, weil, egal wie detailliert die war, das ist ja die Kopie einer Kopie, einer Kopie. Also, die Fehler, die da reingekommen sind, das sind die Kopisten, ist doch klar.
Martin Das ist durchaus möglich. Aber das Argument ist natürlich zu sagen, anhand dieser Karte weise ich nach, dass es eben nur entweder eine ursprüngliche Zivilisation, Hochkultur gewesen sein muss oder eben Außerirdische.
Marko Na gut, also dann würde ich mal sagen, ist die Karte des Piri Reis jetzt entzaubert oder wusste er dann sozusagen doch irgendwie, es gibt einen Rio de la Plata oder vielleicht wusste vor Colümbü jemand noch besser Bescheid als Colümbü. Ist Colümbü vielleicht gar nicht der der Erste gewesen, der nach Amerika gekommen ist?
Martin Ja, gut. Also, darüber gibt es ja nun diverse Spekulationen, was da gewesen ist. Aber in der Tat gibt es auch Vermutungen, dass die Portugiesen zum Beispiel schon früher da gewesen sein sollen, als es eigentlich in der Historie verzeichnet ist. Aber das sind alles Spekulationen. Ist die Karte des Piri Reis jetzt entzaubert? Nö, ist sie nicht, denn du hast es eben ja schon mal angedeutet, der hat da ja auch alles Mögliche drauf eingezeichnet und da möchte ich dir zum Schluss nochmal eine kleine Kuriosität zeigen. Einen Moment, wir nehmen nochmal die Karte hervor und jetzt guck mal in den etwas südlicheren Atlantikraum. Was siehst du da ziemlich in der Mitte?
Marko Na, ist doch klar! Ja! Ist doch Atlantis!
Martin Ja, so sieht es aus.
Marko Da, ein roter, dicker Fleck. Was steht daneben? Kann ich nicht lesen, ist ja turko-osmanisch, ne.
Martin Fragen wir mal Herrn Mesenburg:
O-Ton Peter Mesenburg Das ist nun Atlantis. Steht dran. Der Name steht dran, Atlantis, und dann ist ja die Frage, was hat denn Atlantis da drin zu suchen und wie ist kommt es nun da hin. Nun, wir können das nicht beantworten. Wir wissen bloß, dass Atlantis halt eben eine sagenhafte Stadt gewesen ist, die untergegangen ist und von daher gesehen bis heute eigentlich verschollen ist und niemand weiß, wo sie ist. Sie wird an verschiedenen Stellen vermutet. Piri Reis hat sie also nun hier in die Mitte von Europa und Afrika gesetzt, das erstaunt zumindest mal. Also wir haben diese Karte ja auch rekonstruiert und haben versucht, was weiß ich, eine Abbildung zu finden, die nach Möglichkeit das gesamte Gebiet beschreiben könnte. Man könnte theoretisch, könnte man ungefähr sagen, da wird sie sein mit einer Genauigkeit, die also nicht hinreichend ist. Ich denke mal, mehr als 100 Kilometer, 50 bis 100 Kilometer Genauigkeit könnten wir da nicht voraussagen. Ob sich das lohnt, in diesem weiten Bereich eben danach zu suchen, ob da Atlantis ist, ich weiß es nicht.
Marko Ja, ich bin auf jeden Fall dafür, dass wir es suchen.
Martin Auf nach Atlantis.
Marko Also ich meine, das ist natürlich irgendwie schon klar. Also dieser Traum von Atlantis, das hat die Menschen ja schon lange beflügelt. Aber das ist halt so. Dass ist – ich meine, auch Menschen, Menschen haben auch Utopia gesucht. Und Utopia ist nun eindeutig eine Erfindung.
Martin Das heißt ja schon im namen Nicht-Ort, also Utopia.
Marko Ja was heißt denn Atlantis ich habe keine Ahnung. Also auf jeden Fall ist es ja nichts. Also ich finde, es gibt ja nichts, wonach man nicht mal suchen könnte. Ich finde…
Martin Hey, du warst ja im ersten Teil schon angefixt von dem verloren gegangenen Schiff des Piri Reis, um danach zu suchen, in der Straße von Hormus.
Marko Das scheint ja noch eine sehr reale Geschichte zu sein. Also ich meine, wenn jemand mit drei mit Schätzen beladenen Schiffen leider nicht ankommt, sondern nur mit zwei, dann ist ja klar, dass das dritte irgendwo verblieben sein muss. Das ist ja sehr realistisch, sowas könnte könnte ja sein. Na gut, dass ich mir jetzt da so eine Fantasie-Insel irgendwo hinsetze, das ist halt… das, das kommt vor. Ich meine, wahrscheinlich gibt es hier auch so ein paar Fantasie-Tiere. Also auf alten Landkarten findet man ja manchmal solche Dinge.
Martin Da ist er relativ zurückhaltend, das ist relativ realistisch, was er eingezeichnet hat. Aber hier oben, vielleicht das ist nochmal ganz interessant, und zwar siehst du da jetzt, das ist so ein bisschen auf den Kopf gestellt, musst du mal rumdrehen.
Marko Ja, das ist ein Wal, oder was ist das?
Martin Ja, das ist ein Wal, also für mich sieht es nicht wirklich wie ein Wal aus, aber wie ein großer Fisch. Aber es soll ein Wal sein.
Marko Ja.
Martin Und darauf…
Marko Sieht aus wie ein Kapfen, aber egal.
Martin Ja, genau. Aber darauf sitzen zwei Leute…
Marko Und machen Feuerchen…
Martin Machen Feuer auf dem Rücken eines Wals.
Marko Ja, das kann doch sein.
Martin Und das ist eine alte nordische Sage. Die so genannte Brendan Sage ist da abgebildet. Und zwar ist das ein Mönch, Brendan, ein irischer Mönch, der sich aufgemacht hat mit dem Boot und ist über den Atlantik geschippert. Und irgendwo haben sie eine Insel gesehen und haben gedacht, ach Land, super, da machen wir Halt, da steigen wir aus und setzen uns hin und machen ein schönes Feuerchen. Und als sie das Feuerchen angemacht haben. Hat sich die Insel bewegt und es stellte sich heraus, es ist ein Wal gewesen.
Marko Ja, das kann passieren.
Martin Und auch da kann man sich natürlich fragen, wie kommt jetzt eine irische Volkssage auf die Karte eines osmanischen Admirals und Piraten?
Marko Na, wenn er sich das da irgendwo zusammengeklaut hat, wer weiß, wer für die anderen Karten, die er schon wieder geklautet hat, geklaute hat, dann hat das vielleicht auch irgendwo ein irisches Schiff überfallen, und dann war halt dieser Fisch da, dieser Walfisch, der hat ja sowieso völlig falsche Flossen, der sieht überhaupt nicht, der hatte gar keine Walflosse, der hat ja hinten eine hochkant stehende Flosse, das ist ja völliger Quatsch.
Martin Also wir halten fest, Piri Reis war anatomisch, was zumindest Wale betraf…
Marko …nicht so bewandert, also die machen Feuerchen auf einem Karpfen, so muss man es ja sagen. Sieht auch ein bisschen aus wie ein Karpfen, aber egal. Ja, so kann ich mir das vorstellen.
Martin Also es gibt auf jeden Fall noch viele Fragen rund um die Karte von Piri Reis, selbst wenn sie nicht von Außerirdischen oder von alten Kulturen erstellt worden oder die Vorlagen geliefert worden sein sollten, bleiben genug Rätsel, um diese Karte und wahrscheinlich auch noch genug Spekulation und viele TikTok-Folgen von irgendwelchen Verschwörungs-Fantasten.
Marko Ob ihr uns noch einmal wiederhört oder ob wir Richtung Atlantis verschwinden, um es zu suchen, das wird sich noch herausstellen. Aber wenn euch diese Folge über die Karte des Piri Reis gefallen hat, dann sagt es…
Martin …llen Besuchern des Topkapi Serail, in dem die Karte gefunden wurde.
Marko Allen, die wissen, wo der Rio de la Plata liegt.
Martin Allen Freunden von Außerirdischen und alten vorhistorischen Zivilisationen.
Marko Aber wenn es euch nicht gefallen hat, dann sagt es bitte, bitte nur uns.
Martin Unter www.diegeschichtsmacher.de findet ihr alle Möglichkeiten, mit uns in Kontakt zu treten, auch uns zu unterstützen, über Steady und unseren Newsletter zu abonnieren, tut das reichlich und wir freuen uns darüber.
Marko Jetzt aber auf nach Atlantis.
Martin Was sagt man denn da?
Marko Ahoi!
Martin Ahoi!
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