Ep. 81: Die geheimnisvolle Weltkarte des Piri Reis (Teil I)

Der Pirat und die Außerirdischen

Die Weltkarte des Piraten und späteren osmanischen Admirals Piri Reis ist voller Rätsel: Der Seefahrer hat sie im frühen 16. Jahrhundert gezeichnet und dabei nicht nur die Küstenlinie Südamerikas dargestellt, sondern auch Gebirgszüge und Flüsse im Hinterland und anscheinend sogar Gebiete der Antarktis. Dabei war noch kein Europäer in diesen Weltgegenden!

Wie konnte Piri Reis Details von Kontinenten kennen, die weder er noch sonst jemand aus seinem Umfeld je gesehen oder betreten hatte? Und wie war ein derartiger Detailreichtum möglich ohne Luftbilder aus großer Höhe? Es gab nur eine Erklärung: Piri Reis hatte Hilfe – von Außerirdischen!

Martin Herzog versucht in dieser ersten Folge über die Geschichte der Karte des Piri Reis gemeinsam mit seinem Kollegen Marko Rösseler das Rätsel um die Weltkarte zu lösen. Zu Wort kommen außerdem der Geschichts-Blogger und Grafiker Tobias Trebesius, der schon seit frühester Jugend den Geheimnissen der Karte nachspürt, und Peter Mesenburg, emeritierte Professor für Kartographie.

Hier geht’s zum zweiten Teil von Die geheimnisvolle Weltkarte des Piri Reis: Entdeckung im Serail

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Transkript: Die geheimnisvolle Weltkarte des Piri Reis (Teil I)

Martin Beschreibung einer Weltkarte aus dem frühen 16. Jahrhundert. 

Marko liest Erich v. Däniken Die Karte war absolut exakt. Und zwar nicht nur, was Mittelmeerraum und totes Meer angingen. Es waren ebenso die Küsten von Nord- und Südamerika und sogar die Konturen der Antarktis präzise in Piri Reis` Karte vermerkt. Die Karte gab nicht nur die Umrisse der Kontinente wieder, sie hatte auch die Topographie im Inneren dieser Länder. Gebirgsketten, Berggipfel, Inselflüsse und Hochebenen waren harrschscharf eingezeichnet. Eine Karte von äußerster Genauigkeit. Man bedenke, erst 1952 wurden Gebirgsketten in der Antarktis entdeckt, die auf der Reisschen-Karte bereits eingezeichnet sind. 

Martin Und das auf einer Karte aus der frühen Neuzeit? Wie kann das sein? 

Marko liest Erich v. Däniken Aus Vergleichen mit modernen Satellitenaufnahmen unserer Erdkugel ging nämlich hervor, daß es sich beim Ur-Original der Piri Reisschen Karten um Luftaufnahmen aus extremer Höhe gehandelt haben muß. Wer immer sie vor Jahrtausenden machte, mußte fliegen und sogar fotografieren können. 

Martin So steht es in dem 70er-Jahre-Bestseller „Erinnerungen an die Zukunft“, geschrieben von Erich von Däniken. 

Marko Ich habe ihn geliebt, ich habe es gelesen, ich hab es verschlungen. Die Geschichte mit seinen Außerirdischen, ich fand es wunderbar. 

Martin Ja, das haben wir, glaube ich, alle. Und tatsächlich, die Karte hat existiert. Genauso wie dieser Piri Reis, von dem da gerade die Rede ist. Und diese Karte war erstaunlich detailliert. 

Marko Wer ist also dieser Piri Reis? Was hat er vielleicht mit Christopher Columbus zu tun? Und stammt die Karte wirklich von Außerirdischen? Darum geht es heute bei… 

Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens. 

Marko Du hast also ein Zeitzeichen über die Karte des Piri Reis gemacht. Piri Reis… 

Martin Piri Reis, so wird er ausgesprochen. Ja, genau richtig. Das ist ein etwas seltsamer Name: Reis heißt so etwas wie Kapitän. 

Marko Okay. 

Marko Hat nichts mit Reis zu tun. 

Martin Mit Reis hat das gar nichts zu tun. 

Marko Und Piri Piri kenne ich als Gewürz? 

Martin Nein, auch nicht. Auch nicht. Obwohl dieser Piri Ries ein Seefahrer war und sicherlich mit vielen Gewürzen auch zu tun hatte. Ja, ich habe ein Zeitzeichen über die Wiederentdeckung dieser Karte gemacht im Jahr 1929. Das war im Nationalmuseum in Istanbul, da hat man die gefunden und zwar waren das zwei deutsche Orientalisten, die sie entdeckt haben. Und diese Karte ist deswegen so berühmt, weil sie so detailliert ist. Das haben wir ja eben auch schon gehört. Ich hab die Karte mal hier mitgebracht, natürlich nicht das Original, sondern eine Abbildung davon. 

Marko Du hast sie abgezeichnet. 

Martin Ich hab sie abgezeichnet persönlich auf Pergament und auch tuschiert. Nein, das hier ist eine Darstellung, die findet man auch auf Wikipedia, das ist eine ganz gute. Jetzt zeige ich dir die mal und jetzt beschreib doch mal was du da so siehst was das ist. 

Marko Also es ist offenbar eine ockerfarben, lehmfarbene Karte. Ich würde sagen auf irgendeinem Pergament, also eine Tierhaut gezeichnet wahrscheinlich. In der Mitte befindet sich ja so eine Windrose. Es gibt zwei Windrosen, die ich hier sehe und ein Meer mit Segelschiffchen drauf. Man könnte jetzt raten, was dieses Meer darstellt. Schwierig, schwierig.

Martin Schau dir mal die rechte Ecke an, oben rechts. 

Marko Das könnte Afrika sein und dann haben wir da die Straße von Messina und dann den ersten so ein Zippelchen von Europa vielleicht und dann wäre das gegenüberliegende ja mehr oder weniger die Karibik, wobei die schon ein bisschen anders aussieht, als ich die heute von Karten kenne. Und dann würde das sozusagen oben übergehen in eine Karte von Südamerika. Wobei Südamerika jetzt auf diesem Exemplar kein Ende hat. Also es geht weiter runter. Und es gibt da kein Kap Horn, wie es eigentlich da unten läge, sondern es geht über weiter in einer Landmasse, die sich dann so, ja, also im äußersten Süden, da wo die Antarktis ist, einmal so rum erstreckt. 

Martin Also knickt so nach rechts ab. 

Marko Ja, so ist es. Dazwischen sind also viele Schiffchen unterwegs und auf dem Land sind so ein Ochse eingemalt, ein paar Äffchen und so, aber auch so eine Gebirgskette. 

Martin Genau.

Marko Also wie man sich so eine, naja… frühneizeitliche Karte, so eine Schatzkarte, vielleicht von Piraten vorstellen würde. 

Martin Ja, so eine Schatzkarte von Piraten, hab ich auch gedacht. So in der Richtung. So, jetzt guck noch mal genau die Küstenlinie. Wir haben ja eben schon festgestellt, da in Südamerika das knickt da irgendwie nach rechts ab, nach Osten. Bisschen seltsam, aber jetzt guck nochmal genauer auf die Küstenlinie, wie würdest du sagen, wie würdest du es einschätzen? 

Marko Naja, also ich hab jetzt nicht Südamerika ganz im Kopf, ich würde aber mal sagen, ausgehend sozusagen vom Golf von Mexiko, Mexiko Mexiko, Mexiko. 

Martin Mexiko. Ich habe gehört, es gibt mittlerweile einen anderen Namen dafür, aber egal. 

Marko Aber bei uns bleibt das der Golf von Mexiko. Der Golf von Mexiko, das könnte man ja wieder erkennen, so vielleicht diese Inselchen, sind natürlich in ihrer Vielfalt sicherlich nicht richtig getroffen. Das eine da oben wäre vielleicht Cuba, man weiß es nicht genau, könnte man so erraten. Und dann geht es sozusagen die Küstenlinie runter. Diverseste Flüsse sind eingezeichnet, die da ja auch münden. Und es gibt ja diverse, die auch sehr berühmt waren in der Zeit. Der Rio de la Plata zum Beispiel. Silberfluss, nach dem ja alle gesucht haben. Aber ob die Linie jetzt von Südamerika wirklich so stimmig ist, ich würde sagen oben im nördlichen Teil noch ja, im südlichen verlässt es ihn dann, glaube ich. 

Martin Also Gesamturteil, Genauigkeit. 

Marko Na ja, ich würde damit jetzt nicht navigieren, würde ich heute nicht mehr, aber wahrscheinlich für die damalige Zeit ganz ordentlich. 

Martin Man muss dazusagen, das ist ein Ausschnitt. Das ist offensichtlich eine Weltkarte. Aber wir haben nur diesen Teil erhalten, ist der, der ist so ungefähr, na ja, ich sag mal DIN A2 groß. Also so irgendwie 80 mal 60 Zentimeter oder so. Also die Gesamtkarte ist deutlich größer. So, und jetzt haben wir hier die … 

Marko Und da wäre dann auch der Rest der Welt hier noch mit dran. 

Martin Wär schon noch mit dran. Also das vermutet man, aber es ist eben nur dieser Teil erhalten. Vielleicht gibt es irgendwo noch den Rest, das weiß man nicht. Was wir haben, ist dieser Teil hier mit dem Atlantik, Nord- und Südamerika und der Küste von Europa und Afrika. So, jetzt hast du diese Windrosen beschrieben und die Strahlen, die davon ausgehen. Die sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich um eine sogenannte Portolankarte handelt. Diese Windrosen, wie du sie bezeichnest, das sind sogenannte Rumbenpunkte und die Linien, das sind dann entsprechend die Rumbenlinien und diese Linien entsprechen den Richtungen der Windrose. Das sind Navigationshilfen, also daran entlang hangelnd kann man dann von A nach B navigieren. Richtige Windrosen gibt es auf einer Land- oder Seekarte meist nur eine. Von diesen Rumbenpunkten aber gibt es allein hier auf der Karte vier Stück. Und man vermutet auf der vollständigen Karte noch mal vier, sechs oder acht weitere von diesen Rumbenpunkten. Und die sind dann so kreisförmig ungefähr angeordnet. Und mit den Strahlen, die von diesen Rumbenpunkten dann ausgehen, kann man dann eben navigieren. Diese Strahlen bilden dann zusammen ein dichtes Navigationsnetz. Das heißt, wenn du hier bist und dann in die Richtung navigierst, dann kommst du da an, wo du hin willst. Portolan von Italienisch Porto, Hafen, Portolano, das waren wohl ursprünglich Hafen-Handbücher, also Navigationshilfen, wo so allerlei Nützliches für den Seefahrer drin stand. Und dieser Name Portolano wurde dann irgendwann auf die zugehörigen Seekarten übertragen. Und das waren zum ersten Mal Karten, nach denen man tatsächlich vernünftig navigieren konnte und zwar auch über See navigieren konnte, ohne sich unbedingt an den Küsten entlang hangeln zu müssen. 

Marko Wobei ich mich jetzt frage, was gibt es an? Also gibt es schon Kompass? Nein. 

Martin Ja, Kompass gibt es natürlich. Also das sind sogenannte Rumbenlinien, die davon ausgehen oder Windstrahlen. Und diese Linien bilden dann ein Netzwerk. Und von diesem zentralen Punkt ausgehend immer Strahlen in die 16 Haupt- und Zwischenrichtungen der Windrose. Und mit diesem Liniennetz und mit einem Kompas eben lässt sich der Kurs bestimmen. Seit dem 13. Jahrhundert gibt es die, seit dem 15. Jahrkundert kommen die im Mode und werden eben vor allen Dingen im Mittelmeerraum hergestellt und genutzt. Zeigen aber meistens nur die Küstenlinien von Europa, Afrika und Asien. Das heißt, da sind in der Regel keine Weltkarten. Und diese Karte von Piri Reis ist eben auch eine Portolankarte, aber als Weltkarte. So, und jetzt ist natürlich die Frage, wenn man danach navigieren können soll, du hast eben gesagt, ich würde das jetzt nicht unbedingt versuchen. 

Marko Naja. 

Martin Dann ist natürlich die Frage: Wie gut ist diese Karte von Piri Reis? Und um diese Frage zu beantworten, habe ich mir von zwei Leuten ein bisschen Hilfe geholt. Der eine ist Tobias Trebesius, der ist Geschichtsblogger. Der ist eigentlich Grafiker von Beruf und beschäftigt sich aber seit vielen Jahren mit dieser Piri-Reis-Karte. Und er hat mir als erstes mal erzählt, wie fasziniert er von dieser Karte war, als er zum ersten Mal davon gelesen hat. 

O-Ton Tobias Trebesius 3 Die Karte ist ja weltberühmt geworden durch Erich von Däniken und seinen Bestseller „Erinnerungen an die Zukunft“ von 1968. Und ich habe dieses Buch gelesen, da war ich 9 oder 10 Jahre alt und das hat für mich eine unglaubliche Magie entwickelt. Eben diese These mit den Astronautengöttern und es hat mich total gefesselt und gefangengenommen und ich fand es wahnsinnig spannend. Und ich habe ihm auch alles geglaubt und ich wollte auch, dass das so ist, weil es eben so spannend ist. Und in dem Zusammenhang bin ich zum ersten Mal auch auf die Piri-Reis-Karte gestoßen. 

Marko Dem Mann ging es wie mir. Ich habe mir damals in der Stadtbibliothek, da war ich auch so 10, 11, 12 Jahre, habe ich mir diese ganzen Scheißdinger von Erich von Däniken ausgeliehen. 

Martin Scheiß-Dinger? 

Marko Gibt ja nicht nur eins, also nein, Scheißdinger. Also das ist ja – der vertritt da so eine These und biegt die so irgendwie sich zurecht. Und wenn man halt so 9, 10, 12 ist und so gerade so anfängt, sich mit Geschichte vielleicht so irgendwie zu beschäftigen. da kommt einem das alles unglaublich plausibel vor. 

Martin Ja, und das triggert natürlich auch die Fantasie. Dann hast du da irgendwie Vorstellungen von ja, wer weiß, wer die Pyramiden gebaut hat und wie kommen diese komischen Linien da in die in die Wüste und was sind die? 

Marko Ja, was sind diese Azteken-Darstellungen da? 

Martin Das können die doch damals gar nicht alles ohne Hilfe gemacht haben. 

Marko Genau, das sieht doch schon aus wie eine Raumkapsel, guck doch mal genau hin. Ja, klar, da war ich gern dabei. 

Martin Ich glaube, das ist wirklich in unserer Alterskohorte so gewesen. Also nochmal, wer’s nicht weiß: Dänikens These war: Außerirdische haben die Erde vor vielen, vielen Jahrtausenden besucht. Und weil ihre Technik so unglaublich weit fortgeschritten war, erschien das den Menschen wie Magie, also haben sie die Aliens als Götter verehrt. Und diese Aliengötter haben uns, den Menschen, sozusagen unsere Kultur eingeimpft. Also, das Buch von Erich von Däniken, das hab ich auch mir nicht selber gekauft, aber ich hab das im Bücherregal meiner Eltern gefunden. Die hatten das da nämlich auch rumstehen. 

Marko Ich hab’s mir ausgeliehen. Also gekauft hab ich keins dieser Machwerke. 

Martin Man muss dazusagen, das stimmt auch vorne und hinten nicht. Also alles, was er da schreibt, was wir am Anfang zitiert haben. Nein, also das, was auch nachprüfbar ist. Was du am Anfang zitiert hast, die Karte von Piri Reis ist im 19. Jahrhundert 1840 entdeckt worden, ist völliger Quatsch, war eben 1929, und dann den Amerikanern übergeben worden, ist auch völliger Unsinn. Also der reimt sich da irgendwie was zusammen und, naja, ist aber damit offensichtlich sehr, sehr erfolgreich gewesen. 

Marko Sau erfolgreich – das war der absolute Bestsellerautor, ne? 

Martin Ja, super-erfolgreich und das allererste Buch, was so sein Durchbruch gewesen ist, das ist eben dieses „Erinnerungen an die Zukunft“ von 1968. Das ist dann Anfang der 70er-Jahre komplett durch die Decke gegangen. Und im dritten Kapitel ist eben von dieser geheimnisvollen Karte von Piri Reis die Rede. Und Tobias Trebesius hat das verschlungen, wie er gerade auch schon erzählt hat. Und dann ist das natürlich, wie das so immer ist, irgendwann in Vergessenheit geraten und irgendwann als Erwachsener ist er dann auch wieder auf diese Karte gestoßen und hat die sich mal näher angeguckt. Also er hatte sich da schon eine Weile als Grafiker dann auch liegt das ja relativ nahe, sich dann auch mit Karten zu beschäftigen und deswegen hat er so Kartografie ein bisschen als Hobby betrieben. Und da hat er nochmal diese Karten zur Hand genommen und nochmal genau drauf geguckt. 

O-Ton Tobias Trebesius Die Karte erschien mir sehr hoch entwickelt, also gerade im Gegensatz zu den mittelalterlichen Weltkarten, die sehr schematisch waren und sehr ungelenk erschienen, war diese Karte so fein ausgearbeitet, fast wie ein moderner Atlas. Und das Interessante an der Karte ist eben, dass sie einen großen Teil des südamerikanischen Festlandes zeigt und zwar 1513, also bevor Magellan dort entlanggefahren ist, um die Magellan-Straße zu finden. Und oben links ist die Karibik, das sieht ziemlich chaotisch aus, aber sie ist eben überhaupt dargestellt, wenige Jahre, nachdem Kolumbus diese Region entdeckt hat. 

Martin Tja, und die Frage ist halt, woher hatte dieser Piri Reis sein Wissen von der amerikanischen Küste 1513? 

Marko Ja, also ich mein, Kolumbus war ja schon mal da, mehrfach. Es wurden ja sogar schon Leute abgesetzt. Also 1492 ist er zum ersten Mal in der Karibik gelandet. Und dann gab es ja mehrere Reisen des Kolumbus noch mal dann in die Karibik. Ja, dann wird er sich irgendwie, wird er die doch gekriegt haben wahrscheinlich da über Umwege von Mitseglern oder so. Kann ich mir schon vorstellen. Waren ja mehrere Schiffe. 

Martin Das könnte man denken, so nach 20 Jahren, dass sich das so ein bisschen rumgesprochen hat, die ganze Geschichte. 

Marko Die Welt war langsamer damals, das muss man natürlich schon sagen. 

Martin Ja, aber es ist auch recht unwahrscheinlich gewesen, denn man muss wissen, dass Kolumbus ja unter spanischer Flagge gesegelt ist. Er selber war ja Italiener, aber er ist unter spanischen Flagge gesegelt. Und Piri Reis war Türke, also gehörte zum Osmanischen Reich. Und das Osmanische Reich und Spanien waren verfeindet. Und im 15., 16. Jahrhundert ging es im Mittelmeerraum ziemlich hoch her. Und Land- und Seekarten, das war nicht irgendwie was, das waren Machtinstrumente und das waren Dinge, die geheim waren. Das war gestreng gehütetes Herrschaftswissen, wenn man solche Karten hatte und wusste, wie man über den Atlantik schippern musste oder was es da für Küsten gab. Und das hat mir mein zweiter Gesprächspartner noch einmal deutlich unterstrichen, nämlich Peter Mesenburg. Der ist emeritierter Professor für Kartografie an der Uni Duisburg-Essen und hat sich mit diesem Thema sehr intensiv auseinandergesetzt. 

O-Ton Peter Mesenburg Nun waren Karten ja damals, das galt ja für Portolankarten auch, waren ja durchaus geheim. Es ist ja nicht so, als wären das öffentlich verbreitete Karten gewesen, sondern das war ja Macht. Also Wissen ist in der Beziehung Macht, nicht. Und wenn man weiß, wie man mit einem Schiff im Mittelmeer fahren kann, dann war das schon von großer Bedeutung, insbesondere für den damit zusammenhängenden Handel und von daher gesehen auch mit dem möglichen Gewinn, den man dabei erzielen konnte. 

Martin Also so ganz einfach war das mit dem Wissenstransfer dann eben nicht, weil man die Karten gut gehütet hat, wie einen Schatz. Aber die Nummer geht noch weiter, denn auf der Karte des Piri Reis sind Gebiete zu sehen, die zu dem Zeitpunkt, wo sie erstellt worden ist, noch komplett unbekannt waren. Also weder europäische Großmächte wussten davon, noch die Türken. Mein Experte, der Kartografie-Professor Mesenburg, der hat sich mit seinen Studenten ausgiebig mit dieser Karte des Piri Reis beschäftigt und ist auch da eben auf verblüffende Details gestoßen. 

O-Ton Peter Mesenburg Ein Beispiel ist nun die Mündung des Rio de la Plata, der also in der Karte dargestellt ist, in der Piri-Reis-Karte darstellt, im Jahre 1513. Nach offiziellen Angaben, und soweit ich das weiß, wurde diese Mündungen aber erst 1516 entdeckt. Und dann ist natürlich die Frage, wieso ist da eine Mündung drin in dieser Karte, die erst drei Jahre später entdeckte wurde. 

Martin Das ist der berühmte Rio de La Plata, von dem du eben schon geredet hast, wo die Leute alle auf der Suche nach waren.

Marko Das Land, in dem Silber und Gold wachsen sozusagen, da wollten ja alle hin. Also ich kann mir schon vorstellen, dass dieser sagenumwobene Fluss, dass man den einfach eingezeichnet hat, so wie man ja auch Einhörner irgendwo einzeichnet oder wie da auf dieser Karte ja auch hier und da so Tiere eingezeichnete sind oder auf der anderen Karte Seeungeheuer oder so. Dann macht man da halt so einen Phantasie-Fluss hin. 

Martin Ja, stimmt, aber wenn man da hinguckt, das vergleicht, kann man schon sagen, der Verlauf des Rio de la Plata und dessen Mündung ist schon da so ungefähr, wo er hingehört. Und das ist das Kuriose. 

O-Ton Tobias Trebesius Das ist eben die Frage, die auch diese Karte so berühmt macht, auch so mystisch macht für viele, dass eben viele meinen, die Küste Südamerikas war den Europäern, speziell den Portugiesen und Spaniern zu dieser Zeit noch nicht so detailliert bekannt. Sodass dann vermutet wurde, dass Piri Reis ältere Quellen hatte, die vor Kolumbus schon existierten. Und die eben sehr viel genauer waren als das, was die Portugiesen zu jener Zeit kartografisch drauf hatten, sodass dann eben postuliert wurde, so alle möglichen Hochkulturen, prähistorische Hochkulturen und eben die Aliens, die Außerirdischen bei Erich von Däniken, weil eben nicht ganz sicher war, wie Piri Reis eine so detaillierte Karte in der Zeit hat zeichnen können. 

Martin Und daher halt diese ganze Spekulation. Jetzt ist es vielleicht an der Zeit mal kurz darüber zu sprechen, wer denn dieser Piri Reis eigentlich gewesen ist. Wenn du noch mal auf die Karte guckst, dann siehst du, dass hier links am Kartenrand alles Mögliche geschrieben steht. Also die Kartenlegende. Und das ist auch eine ganze Menge Text, die da geschrieben ist. Natürlich nicht auf Deutsch. Ich habe dir mal die Mühe abgenommen und es übersetzt. 

Marko Ach, nett von dir. 

Martin Lies mal vor. Lies mal vor. 

Marko Was war es denn ursprünglich? Welche Sprache ist das denn? Das ist ja ein ziemliches Krickel-Krackel hier. Also das kann ich nicht lesen. Welche Sprache ist das denn überhaupt? 

Martin Das ist so genanntes osmanisches Türkisch. Also ich bin da jetzt kein Fachmann, aber ich nehme mal an, dass das wahrscheinlich auch eine Reihe von sprachlichen Veränderungen in den Jahrhunderten durchgemacht hat. Also das wird wahrscheinlich kein modernes Türkisch sein, was da am Rand steht, sondern eben… 

Marko Aber du hast es netterweise für mich übersetzt. 

Martin Ja, so ist es. 

Marko Ich soll jetzt mal lesen, was am Kartenrand der legendenumwobenen Karte des Piri Reis vermerkt ist. 

Marko liest die Kartenlegende Diese Karte ist vom armen Mann Piri Ben Haji Mohamed, bekannt als Neffe des Kemal Reis, in der Stadt Gelibolu gezeichnet worden. 

Martin Gelibolu ist das moderne Gallipoli. 

Marko Ah jo. 

Marko liest die Kartenlegende Möge sich Gott der beiden erbarmen. 

Marko Welcher beiden denn jetzt? 

Martin Seinem Onkel Kemal Reis und ihm selber. 

Marko Also, okay, ja, gut. Also… 

Marko liest die Kartenlegende Möge Gott sich der beiden erbarmen. Im Monat Muharram des Jahres 919… 

Marko Das ist also bei uns irgendwas im 16. Jahrhundert, ne? 

Martin Ja, das ist 1513, das ist die Entstehungszeit der Karte. Der Monat Muharram ist der erste Monat des muslimischen Kalenders und einer der vier heiligen Monate im Islam. 

Marko Ok, da ist sie gezeichnet worden. 

Marko liest die Kartenlegende Niemand besitzt gegenwärtig eine solche Karte. Ich habe diese Karte selbst gezeichnet und vorbereitet. Zur Anfertigung dieser Karte nutzte ich etwa 20 alte Karten und 8 Mappae mundi aus der Zeit Alexanders des Großen, auf denen die ganze besiedelte Welt dargestellt ist. 

Marko Mappae mundi? 

Martin Mappae mundi – das sind Karten, die eher thematisch sortiert sind als geografisch. Also die zeigen die Welt in einem religiösen oder mythologischen Kontext. Also zum Beispiel die drei Kontinente, so als heilige Zahl 3. Also Europa, Asien, Afrika und dann ist auch Feierabend. Und die sind dann auch nicht geografischen dargestellt, sondern wie zum Beispiel so etwas wie ein Kleeblatt, ein dreiblättriges oder so. Also das hat dann mit der Geografie der Gegend, die dargestellt ist, nichts zu tun. 

Marko Okay, aber das hat er trotzdem benutzt. 

Marko liest die Kartenlegende Auch die Karte der Karibik habe ich herangezogen. Ebenso die von vier Portugiesen, auf denen Indien und China geometrisch abgebildet sind. Darüber hinaus studierte ich die Karte, die Colümbü für den Westen gezeichnet hat. 

Martin Colümbü.

Marko Colümbü? Wer war das? Wissen wir das? Wer Colümbü ist? 

Martin Ja, da kannst du jetzt mal überlegen, wer das gewesen ist. 

Marko Die Kinder von Colümbü. Weiß ich nicht, nein. Keine Ahnung, wer. 

Martin Das ist Kolumbus. 

Marko Kolumbus, ja, natürlich, Kolumbus. Okay, Colümbü. 

Marko liest die Kartenlegende Ich habe alle diese Karten auf einen einheitlichen Maßstab gebracht und daraus diese Karte erstellt. Meine Karte ist für die sieben Weltmeere ebenso korrekt und verlässlich wie die Karten, auf denen die Meere unserer Länder abgebildet sind. 

Marko Das ist ja mal. 

Martin Das schreibt er, dieser gute Piri Reis, an den Rand seiner Karte. Und was diese Karte halt so spannend macht, das ist die Erwähnung von Colümbü. 

Marko Colümbü

Martin Also Kolumbus. Denn es ist bekannt aus anderen Quellen, dass Kolumbus eine Karte von der neuen Welt erstellt hat. Aber diese Karte ist verschollen. Keiner weiß, wo es die gibt. Das Original ist weg. Und jetzt schreibt dieser Piri Reis am Rande seiner Karte, ich hab die benutzt. 

Marko Das heißt, er hat sie gehabt. 

Martin Ja, so. 

Marko Aber ich meine, man muss jetzt ja sagen, Kolumbus war ja auch nicht bis runter zum Rio de la Plata. 

Martin Nein, also das ist eher die Karibik, die man von ihm erwarten könnte. Und er hat sehr detailliert beschrieben, wie Kolumbus in diese Region, in die Karibik gekommen ist. Das schreibt er nämlich auch auf diese Karte drauf. 

Marko Auch am Rand? 

Martin Auch am Rand. 

Marko liest die Kartenlegende Es wird berichtet, dass ein Ungläubiger aus Genua namens Culümbü diese Orte entdeckt hat. Man sagt, dass dem erwähnten Culümbü ein Buch in die Hände geriet, in dem es hieß, dass es am Ende des Westmeeres Küsten und Inseln und Mineralien verschiedenster Art und einen Berg von wertvollen Steinen gebe. Dieser Mann studierte das Buch vollständig, erläuterte dessen Inhalt ausführlich den Großen von Genua und sagte: Bitte gebt mir zwei Schiffe. Ich will mich aufmachen und diese Orte finden. Sie sagten, du törichter Mann, nur das Ende und die Begrenzung der Welt ist im Westen zu finden. Sie ist umhüllt von Dunkelheit. Culümbü, einsehend, dass er von den Genuesen keine Hilfe erwarten konnte, machte weitere Nachforschungen und ging zum König von Spanien und erzählte ihm seine Geschichte in allen Einzelheiten. Nachdem Culümbü mit dem König lange gesprochen hatte, gab ihm der König von Spanien zwei Schiffe, sah zu, daß sie gut ausgerüstet wurden und sagte, ach Culümbü, wenn es zutrifft, was du sagst, dann will ich dich zum Admiral über dieses Land machen.

Martin Und so ist der Culümbü dann losgefahren und diese Karte von Colümbü, von Kolumbus, ist eben offensichtlich Teil der Weltkarte des Piri Reis. 

Marko Nun hast du eben gesagt, dass die Osmanen spinnefeind waren mit den Spaniern und auch mit den Portugiesen. Wie ist er denn jetzt an diese Karte gekommen? 

Martin Das ist eine spannende Geschichte und das hat mit der Biografie von Piri Reis zu tun. Piri Reis, wenn man so eine Karte kompilieren will und aus mehreren anderen Karten und die dann aus verschiedenen Kulturen und verschiedenen Sprachgegenden stammen, dann muss man schon ein bisschen was wissen. Also er war offensichtlich ein Gelehrter und er war Kartograf. Aber er war eben nicht nur das, sondern ein ziemlich mächtiger Mann. Er gehörte zur Machtelite des Osmanischen Reiches. Er ist 1470 in Gelibulu geboren, also Gallipoli. Das liegt am Marmara-Meer, nicht weit von der Meerenge zum Schwarzen Meer entfernt. Und das war damals ein wichtiger Flottenstützpunkt des Osmanischen Reiches. Er ist selbst vermutlich griechischer Abstammung, so ganz genau weiß man das nicht und kommt wohl aus einer christlichen Familie. Das Wichtige ist aber vor allen Dingen seine Mutter, die war nämlich die Schwester des berühmtesten und berüchtigsten Seeräubers des Osmanischen Reiches, Kemal Reis, von dem wir eben schon mal gehört haben. Und er ist, also Piri Reis hat um das Jahr 1481, da war der gerade mal elf Jahre alt, bei seinem Onkel Kemal angeheuert. Und hat da das Piratenhandwerk gelernt und am Krieg gegen die Republik Venedig teilgenommen. Also Schlachten und alles, was dazugehört. 1495 tritt dann sein Onkel der Osmanischen Flotte bei, um im dritten venezianisch-türkischen Krieg zu kämpfen. Und damit, weil er jetzt nun quasi im offiziellen Auftrag der Osmanische Armee unterwegs ist, wird aus dem Piraten Kemal Reis der Korsar Kemal Reis. Das ändert natürlich nichts an seiner Jobbeschreibung: also Schiffe aufbringen, überfallen, plündern, versenken, was man halt so macht. 

Marko Als Pirat. Aber jetzt halt als Korsar. 

Martin Jetzt klingt’s halt besser als Korsar. Der verrichtet seine Tätigkeit dann mit diesem Titel im Rang eines Admirals und im Auftrag seines türkischen Sultans. Also in offizieller Funktion. 

Marko Also das, was man später bei den Engländern Freibeuter genannt hat. Francis Drake war ja auch ein Freibeuter von seiner Majestät. Und so ist er, Piri Reis, ein Freibeuter, ein Korsar im Namen des… Ja, was denn? 

Martin Ich hab mal … Im Namen des Sultans. 

Marko Okay. 

Martin Ich hab mal nachgeguckt: Also Korsar ist nicht ganz vergleichbar mit dem Freibeuter, weil Freibeuter hatten ja so einen Freibeuter-Brief. 

Marko Kaper-Brief. 

Martin Genau. Und sind in offiziellem Regierungsauftrag gesegelt. Also Drake dann im Auftrag seiner Majestät. 

Marko Ihrer. 

Martin Ihrer Majestät – Elisabet war das damals. Genau. Und Korsaren waren eher so Privatunternehmer irgendwie. Und Kemal Reis ist zwar im direkten Auftrag des Herrschers gefahren, aber es gab eben nicht diese Formalisierung der ganzen Beziehung. 

Marko Also ich meine, der Gag bei diesen Drake-Unternehmungen war ja oftmals, dass er sozusagen ein Stachel im Fleisch der Spanier war. Aber wenn man ihn aufgebracht hätte, hätte er sozusagen niemals einen offiziellen Auftrag gehabt. Und das war natürlich gut, um dann sozusagen die größeren Verwirrungen, die es ja dann später gab, wo es dann den großen Schlachten mit den Spaniern gab, um die halt zu vermeiden, aber ihnen trotzdem weh zu tun und zu schaden. 

Martin Ja, ich weiß nicht, ob das bei Kemal Reis auch funktioniert hätte. Keine Ahnung, dafür war es vielleicht zu offensichtlich. Man weiß es nicht. Aber egal in welchem Status er unterwegs war, es gibt jedenfalls genug zu tun im Mittelmeer. Da gibt es nämlich zu der Zeit viel, viel Hick-Hack, vor allen Dingen eben gegen Venedig. Diverse Kriege, venezianische-türkische Kriege. 

Marko Damals sehr, damals sehr mächtig, muss man sagen. Den gesamten Seehandel hatten die Venezianer im Mittelmeer unter sich, also das war schon eine Großmacht. 

Martin Ja, aber was Kartograf Mesenburg betont ist, dass man dabei, bei all den Spaniern, Portugiesen, Venezianern dann gerne die Osmanen vergisst. 

O-Ton Peter Mesenburg Es war das Osmanische Reich, das also weitgehend das Mittelmeer beherrschte. Und wir, glaube ich, sind uns heute auch nicht mehr so darüber am Klaren, dass also tatsächlich mal weite Teile des Mittelmeers tatsächlich unter türkische Herrschaft standen. Und das heißt, der Herrschaftsbereich der Türken ging bis nach Algerien und sie haben sich mit allen möglichen Staaten auseinandergesetzt und meistens gewonnen, die Oberhoheit gehabt. Insofern war das schon eine bedeutende Zeit im Mittelmeer unter türkischer Herrschaft im Wesentlichen, ja.

Martin Und besonders aus dem Osmanischen Reich waren eben viele Piraten unterwegs. Piraten wie Kemal Reis und sein Neffe Piri Reis. Der bleibt in Diensten seines Onkels bis 1511. Und das ist der Punkt, wo Kemal Reis stirbt. Sein Onkel ist es auch, der Piri Reis zur Kolumbuskarte verhilft. Und das passiert schon 10 Jahre zuvor, im Jahr 1501. 

O-Ton Tobias Trebesius Sein Onkel Kemal Reis hat in einem Scharmützel sechs Schiffe aufgebracht und viele Gefangene gemacht. Und unter seinen Gefangenen war ein spanischer Matrose, der behauptete, drei Fahrten mit Kolumbus mitgemacht zu haben, der also schon in der neuen Welt gewesen ist. Und dieser Seemann war im Besitz einer Karte, von der er behauptet, sie wäre von der Hand des Kolumbus gezeichnet, auf seinen Entdeckungsreisen. Und das ist nun etwas ganz Besonderes, weil da lag die Entdeckung Amerikas gerade ein paar Jahre zurück und Kemal Reis, also der Onkel von Piri Reis, hat diese Karte an sich genommen und hat sie später seinem Neffen vererbt. Und Piri Reis war halt nicht nur Admiral und ein guter Seemann, sondern auch ein guter Kartograph.

Martin Diese Karte hat er sich zunutze gemacht. Aber nochmal zurück zu diesem Ereignis, das war 1501, also keine 10 Jahre nachdem Kolumbus zum ersten Mal über den Atlantik geschippert ist und, wie das so schön heißt, Amerika entdeckt hat. Also jedenfalls für die Europäer entdeckte. 

Marko Und dann warten die so lange, bis sie dann eine eigene Karte daraus machen? Ich meine, wenn man dem Feind ein so wichtiges Ding abgeluchst hat, dann würde man auch erst mal sagen: Hey, Sultan, guck mal hier, was ich habe. 

Martin Ja, zunächst mal hat es ja eben noch sein Onkel gehabt, eben bis 1511. Und dann hat er sie eben nach seinem Tode seinem Neffen vermacht. Und naja gut, dann sind das zwei Jahre, bis diese Karte fertig geworden ist. Also so lange ist es dann nicht gewesen. Und am Rand seiner Karte beschreibt Piri Reis, was der Gefangene damals gesagt haben soll. 

Marko liest die Kartenlegende Dieser Gefangene sagte zu Kemal Reis… 

Marko Also zum Onkel. 

Marko liest die Kartenlegende Ich bin dreimal mit Culümbü nach diesem Land gereist. Zuerst sind wir zur Straße von Gibraltar gelangt. Dann segelten wir von dort im Westmeer auf einem mittleren Kurs zwischen West und Südwest 4.000 Meilen geradeaus, bis wir gegenüber eine Insel sahen. Sie ankerten bei der Insel, welche sie zuerst gesichtet hatten. Die Bewohner dieser Insel kamen, beschossen sie mit Pfeilen und ließen sie nicht an Land kommen, um Informationen einzuholen. Männer und Frauen schossen Pfeile. Die Spitzen dieser Pfeile waren aus Fischgräten und alle Einheimischen waren nackt. Der erwähnte Culümbü sah noch eine andere Insel, zu der sie nun gingen. Die Leute auf dieser Insel sahen, dass von diesem Schiff keine Gefahr drohte, sodass sie Fische fingen und diese ihnen in ihren kleinen Kanus überbrachten. Die Spanier waren zufrieden und gaben diesen Glasperlen. Es scheint, dass Culümbü in einem Buch gelesen hatte, dass in dieser Region Glasperlen wertvoll waren. Eines Tages sahen die Spanier einen Goldreifen am Arm einer Frau. Sie nahmen den Goldschmuck und gaben ihr Glasperlen. Sie sagten ihr, bring mehr Gold, wir werden dir mehr Gasperlen geben. Die Eingeborenen gingen und brachten ihnen viel Gold. Es scheint, dass es in ihren Bergen Goldminen gibt. 

Marko Ist ja interessant. Also es gibt ein Buch, das Culümbü erzählt: Hey, auf der anderen Seite mögen die Glasperlen. Wer soll denn dieses Buch geschrieben haben? 

Martin Das ist ein weiteres Rätsel, das kann ich dir leider nicht beantworten. Aber ja, also diese gesamte Geschichte – und sie geht noch eine ganze Weile länger – ist eben auch alles auf dieser Karte niedergeschrieben. Also man fragt sich, was da alles drauf gepasst hat.

Intro Kein Wunder, dass das so ein Krickelkrackel ist, das keiner lesen kann. Wahrscheinlich muss man das vorwärts und rückwärtes lesen, bis das alles rauskommt. 

Martin Also jedenfalls, um das noch mal zu rekapitulieren, also Kemal Reis, der Onkel von Piri Reis, hat diese Karte an sich genommen von diesem Gefangenen und hat sie seinem Neffen vererbt. Und Piri Reis war eben offensichtlich nicht nur Admiral und ein guter Seemann und Pirat, sondern auch ein guter Kartograph. Und aus dieser und einer ganzen Reihe anderer Vorlagen unterschiedlichster Maßstäbe und Herkünfte fertigt dieser Piraten-Admiral dann eine Weltkarte. Aber eigentlich nur als Ergänzung für sein eigentliches Vorhaben. 

Marko Und was war das? 

Martin Das hat mir Tobias Trebesius erzählt. 

O-Ton Tobias Trebesius Piri Reis hatte ein Seefahrerhandbuch für das Mittelmeer geschrieben, also mit genauen Beschreibungen der Küstenverläufe und der Landmarken, die man erkennen kann, wo die Häfen liegen, wo man frisches Wasser bekommt, solche Sachen, also wirklich eine Segelanleitung für die Praxis. Und da wurde die Wichtigkeit seiner Informationen erkannt und er wurde gebeten, das noch weiter auszuarbeiten für den Sultan und für das Osmanische Reich und daraufhin hat er das Ganze noch mit Karten versehen, also mit Seekarten, Portolan nannte man die damals, die zeichnen praktisch nur die Küstenlinien. Und hat eben einen Atlas erstellt, wo er seine Seefahrerhandbuchinformationen eintrug und diese Karten. Und das heißt, also er war wirklich ein sehr guter Kartograph und hat eben wahrscheinlich eher aus eigenem Antrieb dann angefangen, aus seiner ganzen Sammlung, die ihm vorlag, eine Weltkarte zu kompilieren, also zusammenzustellen. Sie steht in der Tradition der Portolankarten, also der Navigations-Hilfen, aber auch aus Piri Reis eigenen Anmerkungen auf der Karte macht es eher den Eindruck, dass er das aus Freude an der Kartographie, aus eigenem Antrieb gemacht hat, weil er einfach die ganze Welt darstellen wollte und weil er sehr gute Quellen hatte und eine sehr gute Sammlung, unter anderem eben diese Karte der Karibik, die auf Kolumbus zurückgehen sollte, das hatte sonst niemand. 

Marko Ich meine, das ist ja ein schönes Hobby. 

Martin Lacht

Marko Für so einen Piraten in Rente irgendwie vielleicht eine nette Beschäftigung.

Martin So ein Nebenprojekt ist das offensichtlich gewesen, ja der war noch gar nicht in Rente zu der Zeit, da kommen wir gleich auch noch dazu. Der war damals ja dann irgendwie in seinen 40ern und damit noch in der Mitte seines Lebens. 

Marko Nun hast du ja eben gesagt, also so eine reine Hobbybeschäftigung wird es wahrscheinlich nicht gewesen sein. Karten sind ja Wissen. Und Wissen über die Welt und wie sie beschaffen ist und wo man da lang fahren kann, ist sozusagen das mächtigste Handwerkszeug eines jeden Seemanns und eines Welteroberers. 

Martin Und dafür hat er das Handbuch geschrieben und dafür hat er alle möglichen Karten gemacht, eben hauptsächlich diese Portulankarten mit den Küstenlinien, um danach auch segeln zu können und eben dieses Wissen für das eigene Land, für den Sultan und seinen Herrscher nutzbar zu machen. Aber Weltkarten wurden in der Regel nicht für solche Zwecke erstellt, sondern die hatten eher so etwas, wie soll man sagen? 

Marko Staatstragendes… 

Martin Ja. Man konnte dann sehen, wo beginnt man Reich, wo endet es, was kann man vielleicht alles noch erobern. Also es ist eher so etwas gewesen, er hat dann die Karte ja auch seinem Sultan dann überreicht, eher etwas um die Macht und den Machtumfang im wahrsten Sinne des Wortes darzustellen. Dafür waren eigentlich diese Weltkarten gedacht. 

Marko Na ja, man muss sich ja überlegen. Also wenn Culümbü auszieht mit seinen, ich glaube, drei Schiffe waren es, ne. Das ist ja ein Riesenkostenfaktor gewesen. Das heißt, um dieses Wissen erst einmal zu erlangen, um zu wissen, wie sieht es auf der anderen Seite des Ozeans aus. Wobei ja jeder noch glaubte, da käme jetzt Indien – am Anfang zumindest. Ja, da wurde ja unglaublich viel investiert. 

Martin Ja und Kartographie war eben auch nicht nur ein netter Zeitvertreib und schön, wenn man weiß, wo die Sachen sind, sondern es war natürlich überlebenswichtig, weil wenn ich weiß, wie ich irgendwo hinkomme, dann möchte ich ja auch, in der Regel zumindest, auch wieder zurück und auch dafür brauche ich dann natürlich einen guten Überblick darüber, wo bin ich gewesen und wie komme ich da wieder hin, also wie komme da wieder zurück. So und was bei Piri Reis ganz besonders ist, dass er in seinem Vorgehen sehr, sehr modern gewesen ist. Das sagt zumindest Tobias Trebesius. Er war eben sehr hoch gebildet. Er kannte sich nicht nur in Navigation und Kartographie aus, sondern er muss auch mehrere Sprachen gesprochen haben, neben Türkisch auch Griechisch, Italienisch, Portugiesisch und Spanisch. 

Marko Na ja, wenn die so viel auf den Rand ihrer Karten drauf schreiben wie er selbst, dann ist das wohl klar, dass er das alles können muss, ja. 

Martin Also es ist eben keine Kleinigkeit, es geht nicht nur darum, Dinge zu vermessen und das dann auf ein Blatt Papier oder Pergament zu übertragen, sondern es gehört eine Menge dazu und Tobias Trebesius sagt, er ist eben in der Art und Weise, wie er das gemacht hat und wie kulturübergreifend er gearbeitet hat, sehr, sehr modern gewesen.

O-Ton Tobias Trebesius Ja, also man merkt seine Begeisterung, wenn man seine Texte liest zu dieser Karte. Und er war einer der Ersten, der wirklich interkulturell geforscht hat, also der wirklich Quellen aus allen Kulturen verwendet hat, um sie zu einer Weltkarte zu kompilieren und diese offene Herangehensweise, das ist eben sehr modern-wissenschaftlich auch. Und da war er einer der Ersten, der aus vielen Quellen und aus vielen Kulturenen alles Wissen zusammengetragen hat. Also die Herangehensweise von Piri Reis macht diese Karte so besonders, ja. 

Martin Ja, und diese Karte übergibt er dann eben dem osmanischen Sultan Selim im Jahr 1517. Also, da existiert die Karte schon vier Jahre. Gemacht hat er sie 1513 und überreicht hat er sich 1517, das schützt ihn allerdings nicht davor, bei dem Nachfolger dieses Sultans in Ungnade zu fallen. 

Marko Was hat er ausgefressen? 

Martin Es ist nicht ganz klar, vermutlich handelt es sich um eine Palastintrige am Hof des Sultans. Ausgangspunkt war wohl eine Kampagne gegen die Portugiesen im persischen Golf. In der Zwischenzeit ist Piri Reis Oberbefehlshaber geworden der Osmanischen Flotte im Indischen Ozean und Admiral der Flotte in Ägypten und ist zu dem Zeitpunkt – nach damaligen Maßstäben, aber ehrlich gesagt auch nach heutigen krachend-Alter: Er ist nämlich 83. 

Marko Naja krachend alt. 

Martin Ja, naja, gut. 

Marko Heute bestes Alter. 

Martin Als so ein Piratenleben, ehrlich gesagt, so immer nur auf den sieben Weltmeeren unterwegs. Ich glaube, das schlaucht schon eine ganze Weile, wenn man es da bis 83 schafft, dann ist das schon was. Also vom Jahr 1552 bis ins Jahr 1553 belagerte Piri Reis die Insel Hormus mit einer großen Flotte. 

Marko Wo liegt die? 

Martin Man kennt die Straße von Hormus, diese Meerenge, die ist relativ bekannt. 

Marko Persischer Golf, wo heute noch die Piraten unterwegs sind. 

Martin Genau, richtig. Da hat sich nicht viel geändert, muss man sagen. Da gibt es eine kleine Insel, die ist ein paar Kilometer von dieser Meerenge entfernt, und das ist die Insel Hormus. Und die hat er damals belagert. Mit einer ganz ordentlich großen Flotte: 31 Schiffe waren das, 800 Soldaten. Und das hat die Inselbewohner offenbar ausreichend beeindruckt, dass sie ihm große Schätze angeboten haben, wie es heißt. 

Marko Freiwilich?

Martin Ja, natürlich, wenn er die Belagerung der Insel aufhebt. Und, ja, gesagt, getan. Er hat die Schiffe, seine Schiffe mit großen Schätzen vollgeladen, mit besagten, und hat sich aufgemacht Richtung Suez. Das war nämlich sein Sitz als Stadthalter, sozusagen, der Flotte in Ägypten. 

Marko Und dann ab durch den Kanal, ne. 

Martin Ja, das wäre schön, aber den Weg gab’s ja damals noch, nicht? 

Marko Schade, schade, wäre ein anderes Thema. 

Martin Da war das noch abgeschlossen. Und auf dem Rückweg erreichte ihn aber eine Meldung, dass eine mächtige Flotte Portugals die Einfahrt in den persischen Golf blockiert. So, und dann hat Piri Reis daraufhin die erbeuteten Schätze auf drei Schiffe umgeladen und die meisten Schiffe zurückgelassen in einem sicheren Hafen. Und hat dann versucht, mit diesen drei Schiffen die portugiesische Blockade zu durchbrechen. Und das ist ihm auch gelungen, also fast. Ein Schiff ist verloren gegangen, aber zwei Schiffe sind tatsächlich durchgekommen. Und als er dann aber in Suez angekommen ist, in Ägypten, hat sein dortiger politischer Gegenspieler um den Posten des Stadthalters dem Sultan nur mitgeteilt, dass Piri Reis eben nur mit zwei Schiffes angekommen ist. Und die restliche Flotte fehlte. Und hat auch nichts davon gesagt, dass er mit großen Schätzen angekommen ist. Sondern er hat zurückgemeldet, das Ding ist ein Desaster gewesen. War es nicht, aber beim Sultan ist genau das angekommen. Der Sultan war davon, wie sagt man? 

Marko Not amused. 

Martin Not amused, genau. Und hat offensichtlich getobt und hat angeordnet, dass Piri Reis dafür mit dem Leben bezahlen soll. Und so ist es dann geschehen. 

Marko Ach, der wurde hingerichtet, obwohl er doch ganz erfolgreich war. 

Martin Kurzer Prozess. Mit 83, im Jahr 1554, endet das Leben des Piri Reis auf dem Schafott. Er ist enthauptet worden. 

Marko Aber der war ein alter Mann. 

Martin 83. Ja, genau. Seine Karte aber hat überdauert. Die Karte, also diese Weltkarte, war im Sultanspalast, in den Gewölben des Topkap Sarayi, das ist der Wohn- und Regierungssitz der Sultane in Konstantinopel, Istanbul und da geriet sie dann in Vergessenheit. 

O-Ton Tobias Trebesius Streng genommen war sie nie verschwunden. Nach dem ersten Weltkrieg hörte das Osmanische Reich auf, zu existieren. Und es entstand die Türkische Republik unter Kemal Atatürk. Und der hat ja das Land säkularisiert. Also er hat dem Land eine wirkliche Rosskur verpasst, um es an die Moderne heranzuführen mit dem Vorbild der westlichen Mächte. Und in dem Zuge hat er eben auch eine säkulare Republik draus gemacht. Das heißt, er hat auch Moscheen aufgelöst. Und auch den Sultanspalast hat er in ein Museum umgewandelt. Und im Zuge dessen hat er eben die besten Fachleute, die er kriegen konnte, und das waren zu der Zeit auch vor allem deutsche Orientalisten, hat er eingeladen, die gesamten Bestände in den Archiven dort zu katalogisieren. Und im Zuge dessen ist auch diese Karte wieder aufgetaucht. 

Marko Das heißt, die war, na ja, dreieinhalb Jahrhunderte sozusagen verschwunden, aber gar nicht richtig verschwinden, sondern nur eingestaubt. 

Martin Ja, irgendwo in den Gewölben des Topkapi-Sarayi hat sie gelegen und wurde dann im Jahr 1929 zwei deutschen Orientalisten vorgelegt. 

Marko Warum ausgerechnet Deutsche die Karte entdeckt haben, welche Geheimnisse noch auf dieser Karte des Piri Reis auf uns warten und – ja, ob vielleicht doch Außerirdische ihre Hand im Spiel hatten? 

Martin Wer weiß, wer weiß? 

Marko Das erfahrt ihr in der nächsten Folge der Geschichtsmacher. Wenn euch diese Folge bereits gefallen hat, dann … 

Martin …sagt es allen Seefahrern, Piraten, Entdeckern dieser Welt, auch den Kartographen… 

Marko Und wenn sie euch nicht gefallen hat, dann sagt es uns aber auch bitte wirklich nur uns. Unter www.diegeschichtsmacher.de findet ihr alle Möglichkeiten, mit uns in Kontakt zu treten. 

Martin Und auch uns zu unterstützen und auch unseren Newsletter zu abonnieren. Den gibt es nämlich auch. Da freuen wir uns auch über Unterzeichner. 

Marko Wenn wir genug Geld beisammen kriegen, dann versuchen wir mal herauszufinden, was aus dem dritten Schiff des Piri Reis geworden ist und werden diesen Schatz für euch heben. 

Martin Das hat dich angefixt, ne? 

Marko Aber dann müsst ihr natürlich schon eine Menge Geld jetzt mal auf unser Konto überweisen. Wir freuen uns drauf. 

Martin In dem Sinne, bis zum nächsten Mal, wir sagen tschüs. 

Marko Ahoi.