Ep. 83: Von Windmühlen, Magiern und Aluhüten: Don Quijote

Der Ritter von der traurigen Gestalt?

Da reitet ein Ritter gegen Riesen an, dabei handelt es sich doch bloß um Windmühlen. Sein Streitross ist genauso klapprig wie er, sein Helm eigentlich ein Barbier-Topf, sein Knappe ein kleiner, dicker Mann, der davon träumt, einst für seine treuen Dienste eine Insel als Lohn zu erhalten. Don Quijote – „Ritter von der traurigen Gestalt“; Anti-Held eines Ritter-Romans, der 1605 erstmals erschien – in einer Zeit, als es längst keine Ritter mehr gab. Sein Schöpfer, Miguel de Cervantes Saavedra, hatte zwar selbst ein äußerst abenteuerliches Leben, aber das ist lange vergessen. Die Abenteuer seines Helden Don Quijote dagegen leuchten bis in unser Jahrhundert. Und würde er durch unsere Zeit reiten, so trüge er vielleicht einen Alu-Hut statt seiner Barbier-Schale auf dem Kopf…

Unsere Zeitzeichen-Kollegin Daniela Wakonigg ist diesmal zu Gast bei den Geschichtsmachern. Danielas Zeitzeichen „1605 – Der erste Teil des Romans Don Quijote erscheint“ findet ihr hier.

Mit von der Partie ist außerdem Prof. Christoph Strosetzki, der zu Cervantes und Don Quijote geforscht hat. Hier könnt ihr ihn besuchen.

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Die Geschichtsmacher sagen: Danke!

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Transkript Die Geschichtsmacher: Don Quijote 

Marko liest aus Don Quijote An einem Orte der Mancha, an dessen Namen ich mich nicht erinnern will, lebte vor nicht langer Zeit ein Junker. Man muß nun wissen, daß dieser besagte Junker alle Stunden, wo er müßig war, und es waren dies die meisten des Jahres, sich dem Lesen von Ritterbüchern hingab, mit so viel Neigung und Vergnügen, dass er fast ganz und gar die Übung der Jagd und selbst die Verwaltung seines Vermögens vergaß, und so, vom wenigen Schlafen und vom vielen Lesen, trocknete ihm das Hirn so aus, daß er den Verstand verlor. 

Martin Dieser Junker, der den Verstand verloren hat, wird sich einen Knappen suchen und auf seinem Pferd Rosinante als Ritter von der traurigen Gestalt Abenteuer bestehen. Sein Name Don Quixote. 

Daniela Don Quijote! 

Martin Don Quijote, so habe ich das immer gelernt. Nein. 

Daniela Ja, aber Don Quijote ist richtig als Aussprache. 

Marko liest aus Don Quijote Daniela Wakonigg muss es wissen. Deshalb ist sie heute hier. Herzlich Willkommen bei…

Intro Die Geschichtsmacher – von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens. 

Marko Quijote, Quixote? Prrrrr…. 

Martin Und wo wir gerade dabei sind Sanch ne. Sancho Panza? 

Daniela Sancho Panzer 

Martin Ah, okay. Toll. 

Marko Also wir nehmen heute ein bisschen Nachhilfeunterricht bei Daniela Wakonigg, die sich mit einem der berühmtesten Romane in der Weltliteratur auseinandergesetzt hat mit dem Namen Don Quijote. Habe ich das jetzt richtig? 

Daniela Das war jetzt richtig, ja? 

Marko Das war jetzt richtig. 

Marko Ein Glück. 

Martin Der Roman spielt in der Mancha, also das ist irgendwie nur eine Gegend in Spanien. 

Daniela Genau, ziemlich mittendrin in Spanien und ziemlich trostlos. 

Martin Bist du schon mal da gewesen? 

Daniela Nee, aber ich habe eine spanische Freundin, die hat mir das erklärt. Es ist schrecklich. 

Marko Das reicht ja im Prinzip schon, um ein Zeitzeichen drüber zu machen, wenn man eine spanische Freundin hat. Also du hast dich um diesen Roman für das Zeitzeichen gekümmert und hast recherchiert. Erstens, wie man den Mann richtig ausspricht. Und zweitens, worum es in diesem Roman geht. 

Daniela Das ist völlig korrekt. Ihr habt ja jetzt auch nicht ganz Unrecht, dass ihr den Don Quixote nennt. Also es gibt ja viele Leute, die nennen den Don Quixote in Deutschland. Das liegt daran, dass der Roman in erster Linie über Frankreich zu uns gekommen ist. Und da heißt der nun mal Don Quixote. Aber Don Quichote ist die richtige Aussprache. 

Marko Und dieser Roman spielt irgendwo im 17. Jahrhundert? Wo sind wir da – rein zeitlich so ungefähr? 

Daniela Also geschrieben wurde er oder veröffentlicht wurde er 1605, also wann er dann spielt, können wir uns ausrechnen, wahrscheinlich ein paar Jahre früher, Ende des 16. Jahrhunderts. 

Martin Und er ist ein Roman, den man heute noch lesen kann. Es gibt ihn gedruckt und übersetzt auch in deutscher Sprache. Aber vielleicht auch nicht lesen muss. Ich hab mal, als wir darüber gesprochen haben, dass wir das heute machen, hab ich da mal reingeguckt und nach ein paar Zitaten gesucht. Das ist schon ein ziemlich dröger Schinken, wenn ich ehrlich bin. 

Daniela Na ja, nun, also ich meine, über 400 Jahre alte Romane sind heute, glaube ich, alle etwas dröge. Aber Don Quijote lebt ja auch weiter durch andere Gestaltungen, also die Figur lebt ja weiter. Es ist nicht nur der Roman, der weiter lebt, sondern die Figur. Man hat diese Figur eines Ritters, der nicht ganz klar im Kopf zu sein scheint, der ein Möchtegern-Ritter ist, gar kein echter. Und der hager ist, auf seinem ebenfalls hageren Pferd sitzt. 

Martin Von der traurigen Gestalt, wie das schon so heißt. 

Daniela Von der traurigen Gestalt, genau. Und dann hat man auf dem Esel neben ihm den wesentlich kleineren und etwas dicklichen Sancho Panza, seinen Knappen dabei. Und das ist natürlich an sich schon ein Bild, was ja auch in der Kunstgeschichte ganz häufig umgesetzt wurde. 

Marko Bisschen wie Pat und Patachon. 

Daniela Wenn man so will, ja, auch euch beide könnte ich mir eigentlich ganz gut in der Rolle vorstellen, so der Kollege Rösseler, hoch zu Ross, und der Kollege Herzog auf dem Esel. 

Marko Wieder mal eine prima Aufteilung. Aber ich meine worum geht es in diesem Roman. Also was jeder, glaube ich, kennt ist sozusagen, dass dieser verrückte Ritter gegen Windmühlen kämpft und dann…. 

Martin Das ist ja sprichwörtlich… 

Marko Das ist sprichwörtlich geworden aber worum geht es da? 

Daniela Also, ihr habt es ja vorgelesen, es geht um einen Landadeligen, also der Junker, das ist so der niedrigste Landadel, der ist um die 50, der hat eigentlich nichts zu tun in seinem Leben. Und das Einzige, was er macht in seinem langweiligen Leben, in der langweilligen Landschaft der Mancha, das is halt Romane lesen, Ritter-Romane. Und die vernebeln ihm das Hirn, heißt es so schön ja im Buch. Und er kommt auf die Idee, selbst ein Ritter sein zu wollen und zieht dann halt einfach los. Er poliert die Rüstung seines Urgroßvaters, die er irgendwo gefunden hat, auf, nimmt das einzige Pferd, was er im Stall stehen hat, die klapprige Rosinante, die übrigens so am Anfang nicht heißt, sondern er gibt ihr den Namen Rosinate, so wie er sich selbst den Namen Don Quijote gibt. Eigentlich heißt der Mann nämlich Alonso Quijano. 

Marko Heißt Don Quijote irgendwas? 

Daniela Das ist sehr kompliziert, da haben sich Generationen von Hispanisten darüber ausgelassen. 

Marko Aber es sind wahrscheinlich viele Dinge in diesem Roman sehr kompliziert. Also wahrscheinlich sind da Anspielungen drin, die wir alle nicht verstehen – richtig? 

Daniela Jede Menge, ja. Es ist jede Menge Gesellschaftskritik drin zu der damaligen Zeit. Also man darf nicht vergessen, wir sind zur Zeit der spanischen Inquisition und es gibt eine Zensur. Also eigentlich darf man gesellschaftskritisch jetzt in Büchern überhaupt nicht großartig was äußern. Und in diesem Roman gibt es Szenen, wie Don Quijote Mönche angreift. Das muss man sich mal vorstellen. Das ist eine Revolution. Das darf man eigentlich nicht. Aber er darf es, weil er ja verrückt ist in dem Roman. 

Marko Dieser verrückte Ritter, dieser verrückte Junker, der eigentlich Ritter sein möchte, zieht jetzt also aus und geht auf Abenteuertour. 

Daniela Genau. Also so ein echter Ritter, der braucht natürlich nicht nur einen Ritternamen, den er sich gegeben hat, sondern der braucht halt auch sein Ross, die Rosinante, und er braucht eine edle Dame, für die er all seine Heldentaten besteht. Und das ist die Dulcinea von Toboso. Das ist eigentlich ein Bauernmädchen aus der Nachbarschaft, auf die Alonso Quijano irgendwann mal ein Auge geworfen hat, wovon die Bäuerin aber nichts weiß. Und natürlich: Ein Ritter braucht einen Knappen. Und den holt er sich auch aus der Nachbarschaft. Das ist der Sancho Panza. Ja, vielleicht mögt ihr die Passage mal vorlesen. Ihr habt das Buch ja vor euch liegen. 

Marko liest aus Don Quijote Während dieser Zeit suchte Don Quijote einen Ackersmann, seinen Ortsnachbar zu gewinnen. Einen guten Kerl, wenn man den gut nennen kann, dem es am Besten fehlt. Der aber sehr wenig Grütze im Kopf hatte. Und schließlich sagte er ihm so viel, redete ihm so viel ein und versprach ihm so viel, dass der arme Bauer sich entschloss, mit ihm von dannen zu ziehen und ihm als Schildknappe zu dienen. Unter anderem sagte ihm Don Quijote, er solle sich nur frohen Mutes anschicken, mit ihm zu ziehen, denn vielleicht könne ihm ein solch Abenteuer aufstoßen, dass er im Handumdrehen irgendwelche Insel gewänne und ihn als deren Stadthalter einsetzte. Auf diese und andere solche Versprechungen hin verließ Sancho Panza – und so hieß der Bauer – Weib und Kind und trat in seines Nachbarn Dienst als Knappe. 

Martin Hat so ein bisschen was von den zwölf Jüngern. Also das ist ja so: Verlassen Frau und Kinder, um dann diesem Menschen zu folgen. 

Marko Aber nicht um das ewige Heils willen, sondern um eine Insul… 

Martin Eine Insel zu bekommen, als Statthalter, ist ja auch ein schönes Motiv so grundsätzlich. Grütze, ne? Da stand tatsächlich Grütze, der hat wenig Grütze im Kopf in der Übersetzung. 

Marko Toll. Also er tut es nicht fürs Seelenheil, sondern er tut es für weltlichen Lohn. Der Bauer möchte eine Insel besitzen. 

Daniela Genau, Sancho ist ja sowieso das absolute Gegenbild zu Don Quijote. Sancho ist sehr praktisch veranlagt, er ist realistisch und sehr den materiellen Dingen zugetan, auch dem Essen sehr zugetan, wohingegen der Don Quijote als Ritter natürlich auch gerne mal fastet und wie gesagt der Realität nicht ganz so nah ist. Das kann man dann auch sehr schön sehen an dem ersten Abenteuer, was die beiden gemeinsam erleben. Nämlich das ist ja die berühmte Geschichte mit den Windmühlen. 

Marko Wenn ich jetzt in die Mancha gehe, dann da stehen da wirklich Windmühlen, die standen da damals. 

Daniela Die stehen da immer noch. Also das ist ein Symbol der Mancha. Da hast du ganz viele davon, weil viel mehr haben die da auch nicht. 

Marko Also es muss eine sehr triste Gegend sein, aber mittendrin stehen Windmühlen. Also man kommt gar nicht dran vorbei, offensichtlich. Also die beiden reiten jetzt dadurch diese triste, öde Landschaft. Und jetzt geht’s so weiter. 

Marko liest aus Don Quijote In dem bekamen sie 30 oder 40 Windmülen zu Gesicht, wie sie in dieser Gegend sich finden. Und sobald Don Quijote sie erblickte, sprach er zu seinem Knappen: „Jetzt leitet das Glück unsere Angelegenheiten besser, als wir es nur immer zu wünschen vermöchten. Denn dort siehst du, Freund Panza, wie 30 Riesen und noch etliche mehr zum Vorschein kommen, mit denen denke ich, einen Kampf zu fechten und ihnen allen das Leben zu nehmen. Mit ihrer Beute machen wir den Anfang uns zu bereichern, denn das ist ein redlicher Krieg und es geschieht Gott ein großer Dienst damit, so böses Gezücht vom Angesicht der Erde wegzufegen.“ — „Was für Riesen?“ versetzte Sancho Panza. — „Jene, die du dort siehst!“, antwortete sein Herr. „Die mit den langen Armen, die bei manchen wohl an die zwei Meilen lang sind!“ — „Bedenke doch, Herr!“, entgegnete Sanchos, „Die dort sich zeigen, sind keine Riesen, sondern Windmühlen. Und was euch bei ihnen wie Arme vorkommt, das sind die Flügel, die vom Winde umgetrieben, den Mühlstein in Bewegung setzen.“- „Wohl ist es ersichtlich“, versetzte Don Quijote, „daß du in Sachen der Abenteuer nicht kundig bist. Es sind Riesen, und wenn du Furcht hast, mach dich fort von hier und verrichte dein Gebet, während ich zu einem grimmen und ungleichen Kampf mit ihnen schreite.“ Und dies sagend gab er seinem Gaul Rosinante die Sporen, ohne auf die Worte zu achten, die ihm sein Knappe Sancho warnend zuschrie. Vielmehr rief er mit lauter Stimme: „Fliehet nicht! Feige, niederträchtige Geschöpfe, denn ein Ritter allein ist es, der euch angreift.“ 

Daniela Also Kollege Rösseler geht immer mehr in die Rolle, muss man wirklich sagen. 

Martin Ja, also ich hab auch Respekt, das ist also, dass der Don Quijote, der ist… 

Marko Quijote, Quijote, wie ich jetzt gelernt habe. 

Martin Der Don Quijote, der ist in dir angelegt. Also das, glaube ich, kann man so sagen. 

Marko Danke. So, also er wird jetzt übel, glaube ich, zugerichtet von diesen Windmühlen. So habe ich das im Kopf. Also er verliert. 

Daniela Genau. Ja, das ist jetzt nicht weiter verwunderlich. Also er wird natürlich von den Flügeln der Windmühle, einer Windmühle erfasst und da durch die Gegend gewirbelt und muss dann erkennen, dass es sich dabei tatsächlich nicht um Riesen gehandelt hat, sondern um Windmühlen, aber das heißt nicht, dass er nachträglich erkennt, dass er im Unrecht war, sondern er macht das, was er immer macht, wenn etwas schiefgeht in seiner imaginierten Ritterwelt. Er interpretiert es um. Er sagt, es ist ein böser Zauberer gewesen, der Zauberer Friston, der dafür gesorgt hat, dass im letzten Moment diese Riesen verwandelt wurden in Windmühlen, damit er nicht, also Don Quijote, nicht den Ruhm ernten kann, gegen diese Riesen zu gewinnen. 

Martin Ja gut, das ist dann natürlich sehr niederträchtig, wenn da so ein Zauberer ist, das ist dann klar. Das ist als Erklärung natürlich…

Daniela Das stimmt. Das heißt aber, dass er versucht, seine verrückte Welt, seine Wahnsinnswelt aufrechtzuerhalten durch diesen Mechanismus. Das ist etwas, was man übrigens bei psychisch Kranken tatsächlich findet, die dann irgendwelche Mechanismen entwickeln, um Dinge, die nicht passen in ihre Welt, in ihre imaginierte Welt, sich trotzdem so zu interpretieren, dass die Welt weiterhin funktioniert. 

Marko Das ist nun die berühmteste Geschichte, die Windmühlen-Geschichte, er kämpft gegen diverseste Gegner. Einen hast du schon genannt oder ein Grüppchen von Mönchen hast du schon genannt. Was gibt es sonst noch für Abenteuer, die man vielleicht nicht so kennt? 

Daniela Also, was es gibt, man findet manchmal Darstellungen von Don Quijote, da hat er einen ganz komischen Helm auf, der vorne so eine Einkerbung hat. Ich habe mich als Kind immer gefragt, als ich diese Bilder gesehen habe, was ist das, hat man das so im 16. Jahrhundert getragen diese Helme? Und ich habe das nie auf anderen Bildern gesehen. Das liegt daran, dass es gar kein Helm ist, sondern eine Barbierschale. Nämlich Don Quijote trifft irgendwann einen Babier und in seiner imaginierten Welt wird dieser Babier zu jemandem, der was Schlimmes angestellt hat und der den goldenen Helm von Mambrino entführt. Das ist diese Babierschale. Also die hat diese Auskerbung, damit man halt die an den Hals setzen kann beim Babieren, also beim Bartschneiden. Und Don Quijote erobert diesen Helm, diesen goldenen Helm von Mambrino. Und setzt ihn sich auf den Kopf, was natürlich noch mehr zeigt, wie irre er ist, wenn man so will. 

Martin Er erlebt ja sehr viele Abenteuer, ich glaube, ich habe gesehen, im Roman sind das irgendwie… also der Roman existiert er ja in zwei Teilen. Da können wir vielleicht auch noch später drüber sprechen. Aber allein der erste Teil hat, glaube ich, über 70 Kapitel. Also es sind viele, viele Abendeuer, die er da erlebt, eins wilder als das andere. Wer hat das denn sich ausgedacht eigentlich? Also das muss ja jemand mit blühender Phantasie gewesen sein. 

Daniela Ja, oder jemand, der damit dann auch endlich mal gutes Geld verdienen wollte. Der Autor des Ganzen ist natürlich Miguel de Cervantes Saavedra. Was für ein schlagkräftiger Name! Das ist ein Zeitgenosse von Shakespeare, nur eben in Spanien. Also man weiß nicht genau, der stammt aus einer Landadelsfamilie. Das ist aber alles nicht ganz sicher, was die Herkunft angeht von Cervante. Und der hat ein ziemlich wildes Leben geführt. Ich habe da mit meinem Experten drüber gesprochen. Das war Professor Christoph Strosetzk von der Uni Münster. Der ist Hispanist und kennt sich sehr aus mit der frühen Neuzeit auch in Spanien. Und der hat mir doch einiges zu erzählen zu dem Leben von Cervantes. 

O-Ton Prof. Christoph Strosetzki Was hat er gemacht? Nun, er war zunächst mal im Dienst eines Kardinals in Rom und dann hat er eine Seeschlacht mitgemacht, nämlich die von Lepanto. Und dort hat er sich eine Verletzung geholt, auf die er auch sehr stolz ist, weil das nämlich eine wichtige Schlacht gewesen ist. Und dann ist er mal nach Neapel in irgendeinem Auftrag gegangen. Und dort ist er auf der Rückfahrt von Seeräubern gefangen worden und nach Algier verschleppt worden. Er war also dann da in maurischer Gefangenschaft. Und das verarbeitet er auch in manchen Texten. Was hat er dann noch gemacht? Er war königlicher Kommissar in Sevilla und dann war er auch in Andalusien Steuereintreiber. Und da hat er sich offensichtlich unbeliebt gemacht, so dass er mehrfach im Gefängnis landete. Was auch sein Gutes hat, denn es geht das Gerücht, dass er dort angefangen hätte, sein Don Quijote zu schreiben. 

Martin Ja, bei dem Lebenslauf kann man dann auch anschließend einen Roman schreiben. Seeschlachten, Gefangennahme, Versklavung, Steuereintreiber, Gefängnis – alles dabei. 

Daniela Äh, ja, kann man nicht meckern, also, ja. 

Marko Moment mal, also der hat jetzt Quijote, Quijote hat er gesagt. 

Daniela Ach, leckt mich doch an die Füße, Kinders! 

Marko Ja, nee, machen wir nicht. Also offenbar ein Ausspracheproblem dieser Mann. Aber was auch klar war, dieser Cervantes hat nicht nur ein abenteuerliches Leben gehabt, aber er hat auch noch andere Dinge geschrieben, habe ich jetzt gerade so rausgehört. 

Daniela Ja, er hat mehr geschrieben, aber das ist heutzutage noch unverdaulicher als der Don Quijote. Don Quijote, ja. Er hat aber tatsächlich sein eigenes Leben manchmal einfließen lassen. Also es gibt eine Episode im Don Quijote, wo ein Hauptmann, also die Figur eines Hauptmanns erzählt von der eigenen Gefangenschaft bei den Mauren. Und da sei er einem de Saavedra begegnet. Also der zweite Nachname von Cervantes. Und der habe also ganz witzige Dinge immer angestellt und das sei ein Wunder, dass der da lebend rausgekommen sei, so wie der immer alle gepiesackt habe und insbesondere diejenigen, die ihn gefangengehalten haben. Also er lässt das teilweise tatsächlich auch einfließen, auch in den Don Quijote. 

Martin Also er hat sich sozusagen in den Roman selber hineingeschrieben, so ein bisschen wie Maler sich auch früher gerne in so ein Bild reingemalt haben. Gibt es denn andere Bezüge noch, die mit seinem Leben zu tun haben oder vielleicht die Figuren? Weiß man da was drüber? Also ob dieser Don Quijote oder der Sancho Panza, ob es da reale Vorbilder gibt zum Beispiel, ist da was bekannt? 

Daniela Schwierig, sehr schwierig. Ich hatte da mit meinem Experten drüber gesprochen und der sagte, lassen sie es. Also, weil das ist eine Debatte, in der Cervantes-Forschung, inwieweit es da biografische Bezüge ansonsten noch gibt. Und er sagte, lassen sie’s. Also das, das, nee, das lässt sich nicht mehr klären nach so langer Zeit und wir wissen es schlicht und ergreifend nicht. 

Martin Da kommen wir in Teufelsküche, so kommen wir nicht weiter. 

Marko Also ähnlich wie das Leben Shakespeares, ist das Leben eines Cervantes eigentlich auch kaum zu rekonstruieren, außer das, was du jetzt gerade genannt hast oder was der Experte genannt hat. Aber irgendwann hat sich dieser Mann offenbar vielleicht dann im Gefängnis auch hingesetzt und hat angefangen zu schreiben. Das heißt aber, diesen Roman Don Quijote, Don Quijote… 

Martin Bis zum Ende der Folge kriegen wir es hin. 

Marko Vielleicht. Man weiß es nicht, also diesen Roman hat er dann, der war sehr erfolgreich, also das war ja auch nicht sein erster, sondern du hast auch schon am Anfang gesagt, vielleicht wollte er mal was Erfolgreiches schreiben. Der war sehr erfolgreich dann. 

Daniela Der war irre erfolgreich. Und es ist ihm gelungen, eine Modeströmung der Zeit aufzugreifen: Und zwar waren Ritterbücher zu der Zeit wahnsinnig beliebt. Das liegt daran, dass wir im 16. Jahrhundert eine Welt voller Veränderungen erleben in Europa und auch in Spanien. Spanien wird zur Weltmacht durch die Eroberung der neuen Welt. Und es verändert sich also sehr vieles und wie immer in Zeiten, wo sich viel verändert, halten sich die Menschen gern an Dinge, die noch älter sind, also um das Alte zu bewahren. Und die Ritter sind da schon seit locker 100, 150 Jahren ausgestorben, wenn man so will. Und darum sind Ritterbücher ganz besonders beliebt. 

O-Ton Prof. Christoph Strosetzki Und warum der Ritter so wichtig war, zu der Zeit, weil er nämlich gerade verschwandt. Und warum verschwand er? Weil das Schießpulver erfunden wurde. Das Schießpulver wurde erfunden, was zur Folge hatte, dass die Tapferkeit des Ritters nichts mehr wert war. Denn der Kanonenbetreiber, der kann von ganz weit weg mit geometrischen Berechnungen und viel Geld, mit vielen Kugeln, kann er einen Krieg gewinnen, ohne dass die Tapferkeit eines Ritters ihn daran hindern könnte. So, das heißt also, durch diese technische Erfindung war ein ganzer Stand obsolet geworden und die Ritter, die früher eben in den Krieg zogen, Cervantes war ja selber auch Krieger, die gingen an den Hof und dann machten sie als Höflinge weiter, ja. Und die Kriegsführung, die war eben modifiziert, wobei man natürlich auch fragen kann, ob die Ritterherrlichkeit, wie sie in den Ritterromanen steht, irgendwas überhaupt zu tun hatte mit der Ritterrealität des Mittelalters. Natürlich ist das, wie immer so gerne auch verklärt. Das ist eine überhöhte und natürlich auch sehr literalisierte Version, sehr literalisiertes und idealisiertes Bild des Ritters. 

Martin Also der Ritter ist nicht mehr existent, er ist ja veraltet, abgeschafft sozusagen. Und die Literatur, Ritterliteratur, ist aber immer noch weit verbreitet und sehr beliebt. So und jetzt kommt dieser Cervantes und schreibt auch ein Ritterbuch. Aber dieser Ritter, der bedient ja gerade nicht das, diese Sehnsucht nach dem Alten, dieses Nostalgische, sondern das ist ja eine Karikatur. Das ist eben von der traurigen Gestalt. Also wie funktioniert das? 

Daniela Ja, das ist ein fantastischer Trick, den er da macht, denn Ritterromane sind nicht nur wahnsinnig beliebt, die sind auch verboten von der spanischen Inquisition, weil man, ja ja, man soll religiöse Schriften lesen und nicht so einen Dreck, sag ich mal, ne, also hier, so ein Schund, der nicht erbaulich ist und die Seele erbaut. Und jetzt kommt Cervantes mit einem Ritterroman, in dem er auch explizit sagt: Er schreibt einen Ritterroman, um sich die Ritterromane abzugewöhnen. Also er sagt, ich schreibe einen Anti-Ritterroman, kommt damit wunderbar durch die Zensur. Und die Leute lesen es aber trotzdem als Ritter-Roman. Also die fühlen sich unterhalten davon wie von einem Ritter-Roman. Das ist echt ein wirklich ein fantastischer Trick, den er da macht. 

Marko Wobei der Ritter natürlich jetzt wirklich böse wegkommt. Ich meine diejenigen, die jetzt einen richtigen Ritter-Roman erwarten, müssen doch eigentlich von diesem Ding völlig enttäuscht sein, weil da ist ja kein Held, da is ja ein Depp Und der hat noch einen Deppen an der Seite. Und der hat ein klappriges Ross. Und ja das ist doch, das ist ja mit allen Erwartungen gebrochen, sage ich mal 

Martin Oder ist das quasi die Komödie zum Ritterroman, die Farce, über die man sich dann lustig machen kann? Wie muss man das verstehen? 

Daniela Ganz genau, also dieser Humorfaktor, den darf man nicht unterschätzen. Also es hat, sagte mir mein Experte, damals tatsächlich dann so karnevaleske Don Quijote-Umzüge gegeben, weil man diesen Humoraspekt in erster Linie gesehen hat. Das war ein Schenkelklopfer dieser Roman. Wie kann man sich das vorstellen? Also heute gibt es ja auch diese Bewegung, dass man gern Literatur liest, die so tut, als würde sie im 19. Jahrhundert spielen. Und das ist ja auch keine Literatur des 19. Jahrhunderts. 

Martin Du meinst jetzt so was wie Steampunk oder was ist die, was meinst du damit? 

Daniela Genau, zum Beispiel Steampunk. Steampunkt ist ja letztlich eine Mischung aus Karikatur der Zeit und gleichzeitig ein Hochleben-Lassen der Zeit. Und das kann man vielleicht ähnlich bei Don Quijote sehen. Also es ist einfach eine Mischung. Man hat dieses Genre Ritterroman, der erlebt Abenteuer, aber er ist halt ein Irrer. Und darüber kann man sich lustig machen. Wenigstens hat man das zur in der damaligen Zeit getan. 

Martin Aber um nochmal zu der Verbreitung zu kommen, also zum Erfolg, also das Ding ist erschienen, dieser Roman ist erschienen und war dann sofort ein Erfolg. 

Marko Woran misst sich denn eigentlich Erfolg damals? Also mit dem Buchdruck, den haben wir natürlich längst erfunden, das heißt also, das Buch als Massenmedium gibt es schon. Hat Cervantes also sozusagen über dann diesen gedruckten Don Quijote richtig Geld verdient oder hat man eher danach gemessen, wie verbreitet ist die Geschichte? 

Daniela Wie misst man Erfolg? Das ist ja eine grundsätzliche Frage. Also klar, hat er mit dem Ding Geld verdient. 

Marko Das ging, ja. 

Daniela Aber es war vor allem die Verbreitung. Und den Erfolg kann man sehr gut daran messen, dass auf einmal jemand kam, der von sich behauptete, er würde jetzt eine Fortsetzung schreiben des Don Quijote. Die kam 1614, glaube ich, raus. 

Martin Trittbrettfahrer. 

Daniela Ja, genau. Der hat einfach diese Figur, heutzutage würde es da einen großen Lizenzstreit vor Gericht geben, wenn jemand einfach eine Figur übernimmt und da eigene Geschichten draus macht. 

Marko Gab es damals auch. 

Daniela Das gab es damals noch nicht, genau. Und das war ein Herr oder eine Dame, wir wissen es nicht, der unter Pseudonymen veröffentlicht hat, unter dem Pseudenym Avianeda. Wir wissen bis heute nicht, wer das gewesen ist. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass Cervantes fuchsteufelswild war. Was man daran sieht, dass er selbst, er hat selbst zu der Zeit schon an seiner Fortsetzung gearbeitet, die dann 1615, also im Jahr drauf, erschienen ist. Und da hat er jede Menge kleine Nackenschläge gegen seinen Nachahmer drin, wo dann ständig richtiggestellt wird, dass das, was der erzählt hat, definitiv nicht der richtige Don Quijote war. Nur sein Don Quijote ist der echte Don Quijote. 

Marko Also ging es da schon um Geld oder ging es da um Ruhm, weiß man das? 

Daniela Beides. Beides, da geht’s um beides. 

Marko Dann kommt der zweite Teil dieses Romans heraus. Ist es eine Kopie vom ersten? Also gibt es aber noch mehr Abenteuer? Oder was passiert da? 

Daniela In gewisser Weise, ja. Und, wie gesagt, ein paar Nackenschläge auf seinen Nachahmer. Und was natürlich am Ende passiert ist, Don Quijote stirbt. Das hat Cervantes ganz bewusst gemacht, damit es keine weitere Nachahmungen geben kann. Was allerdings viel schlimmer ist, er stirbt nicht nur einfach. Er stirbt in seinem Bett. Und das noch dazu. Ja, und das noch da zu, nachdem er gerade vorher wieder vernünftig geworden ist, also seinem Ritterwahnsinn abgeschworen hat. 

Martin Also er wird zum Schluss vernünftig und er stirbt im Bett, was für einen Ritter ja, ich will nicht sagen eine Schmach ist, aber auf jeden Fall nicht so heldenhaft, wie man sich das für einen Retter wünscht. 

Marko liest aus Don Quijote Da die menschlichen Dinge nicht von ewiger Dauer sind und es von ihrem Beginn an mit ihnen immer abwärts geht, und da Don Quijotes Leben nicht das Vorrecht vom Himmel besaß, in seinem Laufe stille zu stehen, so kam sein Ende und Ziel, als er sich dessen am wenigsten versah. Sei es nun von dem Gram über seine erlittene Niederlage oder durch Fügung des Himmels, der es so angeordnet, kurz, es nistete sich bei ihm ein Fieber ein, das ihn sechs Tage lang ans Bett fesselte. 

Marko So, und dann spricht er nochmal sein letzten Worte hier offenbar. 

Marko liest aus Don Quijote „Mein Verstand ist jetzt wieder klar und hell, frei von allen umnebelten Schatten der Unvernunft, mit welchen das Beständige, das verwünschte Lesen der abscheulichen Ritterbücher meinen Geist umzogen hatte. Jetzt erkenne ich ihren Unsinn und ihren Trug, und ich fühle mich nur deshalb voll Leides, weil diese Erkenntnis meines Irrtums so spät gekommen ist, dass ich keine Zeit mehr habe, ihn einigermaßen wiedergutzumachen und andere Bücher zu lesen, um meine Seele zu erleuchten. Ich fühle mir dem Tode nahe, ich möchte gerne so sterben, dass ich bewiese, mein Leben sei nicht so arg gewesen, um den Namen eines Narren zu hinterlassen. Ich will beichten. Und mein Testament machen.“ Endlich kam die letzte Stunde Don Quijotes, nachdem er alle Sakramente empfangen und nachdem er mit vielen nachdrücklichen Worten seinen Abscheu vor den Ritterbüchern ausgesprochen. Der Geschichtsschreiber war dabei zugegen und erklärte, er habe nie in einem Ritter-Buche gelesen, dass ein fahrender Ritter jemals so ruhig und so christlich in seinem Bette gestorben wie Don Quijote, welcher unter Wehklagen und Tränen der Anwesenden seine Seele dahingab. Ich will sagen, er starb. 

Martin Ein bisschen ein enttäuschendes Ende, finde ich ehrlich gesagt. Also der stirbt in seinem Bett als Ritter und dann ist er auch noch so kurz vor knapp, wird er auch wieder klar bei Verstand. 

Marko Also er stirbt nicht mal als Riter? 

Martin Nee, er stirb. Er sagt so, jetzt habe ich endlich eingesehen und das war alles falsch, was ich mein ganzes Leben lang gemacht habe. So und jetzt haben wir die ganzen Abenteuer mit ihm erlebt und der war immer mit …großem… mit großer Emphase dabei und wild dabei und hat das alles aus innigstem Herzen gemacht. Und jetzt dann kurz vor knapp sagt er, nee, war alles falsch und jetzt bin ich froh auch, dass es so ist. Fühlt sich für mich so ein bisschen wie Betrug an, ehrlich gesagt. Also ich finde das Ende seltsam. 

Daniela Ja, das geht mir auch so. Das hinterlässt einen total faden Geschmack. Das ist natürlich verständlich aus der Sicht von Cervantes, der wollte halt nicht, dass seine Figur wieder aufgegriffen wird von anderen. Das Beste, was man machen kann, ist ihn A wieder gesund werden lassen und B sterben lassen und er hat es dann gleich im Doppelpack gemacht. Was wir allerdings auch sagen müssen, ist, dass der Grund dafür, dass wir heute da so ein ganz komisches Gefühl dabei haben, dass wir das Gefühl haben, das stimmt nicht dieses Ende, dass der wieder zu Verstand kommt, wie es so schön heißt. Das liegt daran, dass wir eine ganz andere Sichtweise auf die Figur Don Quijote haben als die damaligen Leserinnen und Leser im Anfang des 17. Jahrhunderts, die halt wirklich einen Schenkelklopfer-Roman gelesen haben, einen vermeintlichen Anti-Ritter-Roman als Ritterroman gelesen haben, für die war das wahrscheinlich stimmig das Ende. Für uns Heutige ist es das nicht mehr, weil sich etwas verändert hat an der Sichtweise der Figur Don Quijote. 

Martin Was hat sich verändert? Okay, also kein Schenkelklopfer mehr. Hat man so mal diese, ja Tragik ist es ja eigentlich nicht, aber Tragikkomik, die sich mit dieser Figur verbindet, ist das mehr in den Vordergrund getreten oder was war diese Veränderung? 

Daniela Die Veränderung war, dass das Tragische überhaupt erst mal wahrgenommen wurde. Und zwar passierte das in der Romantik, dass tatsächlich diese Figur umgedeutet wurde zu einem tragischen Helden. Tragischer Held darf natürlich, der darf zwar sterben, also aus unserer Sichtweise, aber der darf nie sein Ideal verlieren. Und dieses Ideal, an dem Don Quijote festhält in all seinem Wahnsinn, das wurde tatsächlich in der Romantik sehr stark zementiert als Sichtweise. Mein Experte, der Christoph Strosetzki, Professor Christoph Strosetzki, hat dazu sehr interessante Dinge mir erzählt. 

O-Ton Prof. Christoph Strosetzki Das heißt, es ist jemand, der die Ideen für Wichtiger hält als die objektive Wirklichkeit. Das ist jemand der Ideen im Kopf hat und mit diesen Ideen die Wirklichkeiten interpretiert auf Kosten der Wirklichkeit. Das heißt, die Wirklichkeit ist sekundär. Und damit ist er die Idealfigur gewesen für die Philosophie des deutschen Idealismus und für die deutsche Romantik. Schlegel, Schelling, Hegel, die fanden das alle ganz toll, was der Don Quijote macht. Das war für die sozusagen ein Mythos der Moderne. Deswegen nannten die das sogar Philosophem. Don Quixote als Philosophem, nämlich der Kampf des Ideellen mit dem Reellen. Und dass er da manchmal auch unterliegt, das macht die Tragik aus und auch gerade das Spannende und das Sympathische. 

Marko Und wie unsympathisch, wenn das dann sozusagen am Ende drangibt. 

Daniela Ja, du darfst natürlich, als jemand, der das Ideal verteidigt, eins nie machen, dein Ideal aufgeben. Du darfst sterben bei der Verfolgung deines Ideals, aber du darf nie das Ideal aufgeben, sonst bist du kein Held mehr. 

Martin Naja, und dann liegen ja so ganz moderne Interpretationen ja auch nicht mehr so weit fern. Also dieser Don Quijote lebt ja in seiner komplett eigenen Welt. Er sieht da Riesen, wo andere nur Windmühlen sehen, die, die mit beiden Beinen fest in der Realität stehen. Aber man könnte natürlich aus heutiger Sicht auch argumentieren, die leben auch nur in einer anderen Realitätsblase. Aber das ist ja auch so ein wirklich ein moderner Zug. Ist das vielleicht, wäre jetzt so meine Vermutung, auch ein Grund, warum dieser Roman und vor allen Dingen auch diese Figur Don Quijote und Kampf gegen Windmühlen, dass sich das bis heute so durchgezogen hat, dass dieser Roman eigentlich nie unmodern geworden ist. 

Daniela Na, es gibt unfassbar viele Interpretationen des Romans. Man kann Don Quijote auf ganz verschiedene Arten und Weisen sehen. Und das macht es natürlich speziell und interessant und lässt es immer wieder neu aufleben. Also was ich sagen muss, ist, als ich mich beschäftigt habe jetzt für dieses Zeitzeichen mit der Materie, war ich schockiert darüber, wie nah eigentlich Don Quijote mit seiner Art an heutigen Verschwörungsgläubigen dran ist. Also es hört sich jetzt erstmal albern an, aber es ist wirklich eine sehr ähnliche Struktur. Also die haben im Internet lesen sie Texte, so wie Don Quijote sein Ritterbücher gelesen hat, und steigern sich in eine Welt rein, gegen die sie kämpfen. Sie wähnen sich in einem edlen Kampf gegen etwas Ungerechtes, So wie Don Quijote das tut. Und wenn ihnen etwas dabei wiederfährt, also wenn etwas nicht so läuft, wie sie glauben, dass es laufen sollte, dann sind daran die bösen Mächte schuld. 

Martin Der Magier. 

Daniela Der Magier oder der Deep State oder was auch immer. Oder jetzt gerade in Amerika bei Trump, die Woke-Linken, die alle Gerichte durchsetzen und seine wunderbaren Pläne durchkreuzen. Also das fand ich eigentlich auch ein bisschen schockierend, dass ich sofort diese Interpretation sah in dem Werk, als ich mich damit beschäftigt habe. Denn das möchte ich eigentlich gar nicht. Ich möchte nicht, dass Don Quijote ein Verschwörungsgläubiger ist. Ich mag den nämlich eigentlich. Also Verschwörungsgläubige mag ich nicht. 

Martin Don Quijote als der Trump des 17. Jahrhunderts. Das ist eine furchtbare Vorstellung in der Tat. 

Marko Der Ritter-Helm als Aluhut. 

Martin Ja. 

Daniela Ja, ja. Wirklich. 

Martin Aber ich glaube, das ist halt auch der Grund, weswegen solche Bücher wie Don Quijote und solche Schriftsteller wie Cervantes eben als Klassiker gelten, weil sie eben in ihrer eigenen Zeit anders gelesen wurden als in späteren Jahrhunderten und eigentlich immer wieder neu gelesen werden können. Und der Gedanke von Verschwörungstheoretikern, von Verschwörungsmythologen wäre wahrscheinlich vor 50 Jahren noch niemandem gekommen, aber heute ist das eben aktuell und deswegen liest man das so und ich glaube das macht dann auch einen Klassiker aus, dass man ihn eben immer wieder neu interpretieren kann. 

Daniela Also, wie gesagt, ich glaube, diese Vielschichtigkeit, die ist enorm einfach, was man da drin sehen kann in dem Buch. Also er ist natürlich der Fanatiker, er ist einerseits der Lächerliche, Verrückte, die Witzfigur. Er ist aber auch, man kann ihn auch aus medizinischer Perspektive betrachten. Gibt’s übrigens auch Literatur, die das tut, also den pathologischen Fall Don Quijote und seinen Wahnsinn betrachtet. Aber man kann ihn eben auch als tragischen Helden betrachten, so wie das die Romantik getan hat und so, wie das einfach bis heute fortwirkt gewissermaßen auch noch zu uns. 

Martin Für dich ist er der tragische Held, weil du hast gesagt, du magst ihn. 

Daniela Ich kann mich nicht freisprechen von der Beeinflussung der romantischen Interpretation, das können wir alle nicht, weil wir damit aufgewachsen sind. Also überleg mal, wenn du sagst, das ist ein Kampf gegen Windmühlen, was schwingt da mit? Schwingt da mit mehr der Wahnsinn? Wenn du das jetzt machst, dann bist du ja völlig bekloppt, du bist ein Irrer, schluck Pillen! Oder schwingst damit: Aber du nimmst diesen Kampf trotzdem auf, obwohl es ein Kampf gegen Windmühlen ist. 

Martin Die Bewunderung ist da auch schon mit dabei, ja, das stimmt. 

Daniela Genau, ja. 

Marko Wir machen weiter aufrecht Radio, auch wenn wir unterbezahlt sind. Wir machen es, wir tun es. Weil es ist die gute Sache, wir glauben dran, richtig? 

Daniela Absolut, ja! 

Martin Und diesen Podcast auch, der – je länger ich darüber nachdenke – auch ein perfektes Beispiel ist für diesen Windmühlenkampf. Wir machen trotzdem weiter. 

Marko Wenn euch diese Folge gefallen hat, dann sagt es allen, die auf aventiure ausziehen… 

Martin Allen Menschen von trauriger oder auch lustiger Gestalt. 

Marko Allen Dulcineas dieser Welt, die man eigentlich nur bewundern und begehren kann. 

Martin Und wenn euch diese Folge nicht gefallen hat, dann sagt es uns, aber bitte auch nur uns unter. 

Marko www.diegeschichtsmacher.de findet ihr alle Möglichkeiten, dem Wahnsinn vollkommen anheim zu fallen. 

Martin Unseren Newsletter zu abonnieren und uns über steady zu unterstützen. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Daniela Wakonigg … 

Marko Unserer dulcinea, in Münster sitzend, und wenn ihr das sehen könntet, sie sitzt vor einem Regal, oh je, man denkt irgendwie, sie wird gleich von Büchern erschlagen. 

Daniela Ja, da ist auch der Don Quijote dabei übrigens. 

Marko Wenn man den rauszieht, kippt das alles um. 

Daniela Ich will es nicht ausprobieren. 

Martin Don Quixote als die Statik des… Nee, das führt jetzt zu weit. 

Marko Vielen Dank für diesen Ausritt in die Geschichte eines Romans der über 400 Jahre alt ist. 

Martin Uns gibt es wieder in 14 Tagen. Wir sagen Tschüss bis zum nächsten Mal.

Marko Wie sagt man in Spanien – Olé? 

Martin Adios!

Daniela Hallo, kenn ich – Hola. Adios, bis zum nächsten Mal, ihr Lieben. 

Daniela Ich hoffe nicht bald. Tschüss. 

Marko Können wir so Pferdegetrappel drunterlegen, dass wir so weg reiten. 

Martin So, in den Sonnenuntergang. Sancho Panza. Sehr schön. Ja.