3. September 2025 - Kategorie(n): Allgemein, Podcast-Folgen
Kim Philby steigt auf bis in die Führungsetagen des britischen Geheimdienstes und ist zugleich ein Topp-Spion der Russen. Kim Philby spioniert so meisterhaft, dass die Kollegen vom KGB ihr Glück gar nicht fassen können. So viel Top-Secret-Material schafft Philby herbei, dass die Russen misstrauisch werden und schließlich glauben, er wolle sie zum Narren halten. Ist dieser Kim Philby vielleicht gar kein Doppelagent in russischen Diensten, sondern spielt er auch mit ihnen ein falsches Spiel? Währenddessen denken die Briten, Philby könnte der dritte Mann sein – denn zwei russische Agenten sind bereits aufgeflogen, die offiziell für den Auslandsdienst MI6 arbeiten – Jugendfreunde von Kim Philby.
Martin erzählt Marko in dieser Podcast-Folge einen Spionage-Thriller, wie er spannender nicht erfunden werden kann. Mit von der Partie sind auch diesmal Phillip Knightley, der Journalist, der ein Vierteljahrhundert lang versuchte, Philby zu interviewen und Thomas Riegler, Spionage-Experte aus Wien.
Wichtige Links zu dieser Folge:
Hier entlang geht es zur persönlichen Webseite von Thomas Riegler.
Hier geht es zum Zeitzeichen, das Martin einst zum Thema machte: 1940. Kim Philby wird für den britischen Geheimdienst angeworben.
Hier gibt es den Wochenschau-Film von 1955 in voller Länger, in dem Philby sich zu seinen Kontakte zu Burgess und McLean äußert.
Die erwähnte Geschichtsmacher-Folge über den in die DDR geflüchteten Verfassungsschutz-Chef Otto John gibt es hier.
Erste Folge verpasst? Hier geht es zu Meisterspion Kim Philby (Teil 1)
Literatur zu Kim Philby:
Phillip Knightley: Philby. K.G.B. Masterspy, André Deutsch Ltd.. London 1988.
Thomas Riegler: Wiener Spionagezirkel. Kim Philby. Österreichische Emigranten und der sowjetische Geheimdienst. Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 2024.
Wenn Dir diese Folge der Geschichtsmacher gefallen hat, dann… psssst – nicht weitersagen. Streng geheim. Und wenn dir die Folge nicht gefallen hat, dann sag es uns – aber auch nur uns: kontakt@diegeschichtsmacher.de
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Die Geschichtsmacher sagen: Danke!
Marko Ich habe niemanden verraten. Ich hatte immer denselben Auftraggeber und dieselben Ansichten. Ich war ein klarer Infiltrationsagent. Wenn die andere Seite dumm genug war, meine Legende zu glauben, dann ist das Ihr Problem.
Martin Der das sagt, ist Kim Philby, der als sowjetischer Spion bis fast an die Spitze des britischen Auslandsgeheimdienstes aufgestiegen ist und später bis nach Moskau floh.
Marko Und wie er das gemacht hat und wie er den britischen Geheimdienst jahrzehntelang an der Nase herumgeführt hat, das erfahrt Ihr heute bei
Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichen.
Martin Siehe, das Ende ist nah!
Marko Ja, Martin, wie immer, Bibelfest. Nein, es geht nicht um die Bibel. Es geht um.
Martin Jawohl. Ja, ja, denn die Geschichtsmacher gehen stramm auf das Ende zu. Ich würde sagen, dies ist die letzte Folge, also zumindest vorläufig.
Marko Na, vorläufig, voräufig. Wir haben uns mal überlegt, wir brauchen mal so eine Verschnaufpause. Vielleicht dauert die auch ewig. Wir werden sehen. Aber man muss natürlich sagen, wir haben jetzt seit dreieinhalb Jahren versucht, mit diesem munteren Talk hier Geld zu verdienen. Es ist es ist nicht gelungen.
Martin Ja, und da wir uns Journalisten nennen, schimpfen, und wir deswegen mit dem Quatsch, den wir hier veranstalten, auch irgendwie Geld verdienen wollen, müssen, haben wir uns nach langen Überlegungen und vielen schlaflosen Nächten gesagt: Das müssen wir leider beenden.
Marko Nun gibt es natürlich Menschen, die uns auch unterstützt haben. Das muss man auch sagen. Also ganz gar nichts war es nicht, was wir verdient haben. Aber herzlichen Dank an die zehn oder wie viele sind es? 14. Wir könnten euch namentlich jetzt hier nennen, aber einige von euch wollten das nicht. Deswegen tun wir es auch nicht. Aber diesen 14 wackeren Menschen möchten wir in dieser Stelle noch einmal ganz herzliches Danke sagen und auch vielen, vielen anderen Menschen. Aber dazu vielleicht am Ende dieses Podcasts.
Martin Ja, aber bevor wir hier den Deckel drauf machen und das Licht ausknipsen, haben wir noch was zu erledigen, nämlich den zweiten Teil unserer letzten Folge zu Ende bringen.
Marko Tja, ihr könnt euch vielleicht daran erinnern, es geht um den dritten Mann oder den Mann, der vielleicht das Vorbild zu der dritten Man war, jenem Film aus der Nachkriegszeit in Wien. Kim Philby, 1912 geboren, ein junger Mann aus angesehener Diplomatenfamilie. In Cambridge dann dem sozialistischen Studentenbund angeschlossen. Und der dann nach Wien gegangen ist, dort die gut aussehende Litzi kennenlernte.
Martin Die hat es dir angetan!
Marko Die aber in dieser Folge nicht mehr vorkommen wird, wie ich ja zu meiner Trauer bemerkt habe. Dort in Wien dann zum eingefleischten Kommunisten wurde, vielleicht auch dank Litzi und irgendwann nach London wieder zurückgegangen ist. Und dann angeworben worden ist vom OGPU. Das ist der Vorläufer des KGB.
Martin Haste gelernt, ne?
Marko Was heißt das?
Martin Das ist russisch. Frag mich nicht. Ja.
Marko Dann frag ich dich auch nicht.
Martin Ich hab’s tatsächlich nachgeschlagen. Ich kann es nicht aussprechen. Das ist ein Zungenbrecher.
Marko Aber er wird als Agent angeheuert des Vorläufers des KGB, des OGPU und ist jetzt sozusagen in der Warteschleife vielleicht irgendwann als Agent aktiviert zu werden. Aber er soll jetzt erst mal einfach Karriere machen. So sind wir beim letzten Mal ausgestiegen.
Marko Genau. Also, er hat den Auftrag bekommen 1934: Mach mal Karriere. So wie seine Kommilitonen auch, die er alle genannt hat, die er aus seinen sozialistischen Studentenbündnerischen Kreisen kannte. Denen wurde allen gesagt, macht Karrieren, durchsetzt die britischen Institutionen, die Ministerien, die Behörden, die Medien, die Geheimdienste. Und wenn ihr das gemacht habt, dann geht’s weiter. Und das dauert sechs Jahre, bis es so weit ist. Und Kim Philby verdingt sich in dieser Zeit als Kriegsreporter. Und zwar zunächst mal: Als Korrespondent nimmt er am spanischen Bürgerkrieg teil, Korrespondent für die Londoner Times, um aus dem nationalistischen Lager von General Franco zu berichten. Und wie das so läuft in den Kreisen, die wir beim letzten Mal ja auch schon so ein bisschen beleuchtet haben, da war es so, Philby hatte einen leitenden Redakteur bei der Times angerufen. Und der war ein Freund seines Vaters. Und dann bekam er noch ein Empfehlungsschreiben des Herzogs von Alba, der Generalissimo Franco in London repräsentierte. Also da hatte man auch Kontakte. Und schwupps, schon war man Kriegskorrespondent im spanischen Bürgerkrieg und konnte da so, ich glaube, heute sagt man als embedded Journalist mit an die Front.
Marko Aber auf der Fascho-Seite.
Marko Ja klar, auf der Fascho-Seite.
Marko Erstaunlich, okay.
Martin Natürlich, also der Auftrag des KGB war, durchsetzt die Institutionen. Und da ist natürlich besser, wenn man dann als Korrespondent auf der Gegenseite unterwegs ist und vielleicht nicht von der kommunistisch gefärbten Seite berichtet. Das ist alles Teil des Jobs, der Jobbeschreibung.
Marko Okay, also jetzt ist also Philby auf der Seite der Faschisten, der Franco-Faschisten im spanischen Bürgerkrieg. Nun, welche Karriere kann er da machen, um sozusagen irgendwie für den KGB von Nutzen zu sein?
Martin Ja, da noch nicht so wahnsinnig viel, aber er knüpft Kontakte. Genauso, wie er das anschließend macht. Also er ist bis Juli 39, ist er in Spanien. Und geht kurz darauf, als Kriegsberichterstatter wiederum zum britischen Expeditionskorps nach Frankreich und berichtet von dort ab 1940 für die Times über die Kämpfer an der Westfront. Also an der – Westfront sagen wir von deutscher Perspektive aus – also an der europäischen Front auf Seiten der Franzosen. Die Beziehungen, die der eben in dieser Zeit knüpft, die haben offensichtlich geholfen, dass er 1940 in den MI6 aufgenommen wird. Also in diesen Geheimdienst, der in Großbritannien für das Ausland zuständig ist.
O-Ton Thomas Riegler, Historiker Wie er dann von dort aus zurückgekommen ist, hat er diverse Skills gehabt, die ihn einfach als Geheimdienstoffizier prädestiniert haben. Er hat also diverse Sprachen gesprochen. Er hat Länder gesehen, andere, andere Kulturen kennengelernt. Und natürlich war diese Ebene der persönlichen Beziehungen zwischen seinem Vater und Leuten im Establishment. Und da hat es eben dann so ein Abendessen gegeben, wo er als MI6-Offizier auch zu seinem Vater gemeint hat, dass sein Sohn ja in der Vergangenheit so etwas wie ein Kommunist gewesen sei. Und der Harrison John Philby hat das dann als Lausbubenzeit halt praktisch abgetan. Und jetzt wäre er ja schon viel erwachsener.
Martin Den wir da gehört haben, das war Thomas Riegler. Ein Wiener Historiker, der sich mit Geheimdiensten befasst und vor allen Dingen auch zu Kim Philby geforscht hat. Den habe ich fürs Zeitzeichen interviewt damals.
Martin Nun ist der Vater ja nun kein Kommunist und hilft ihm sozusagen auf die Seite. Ja, auf seiner Seite Karriere zu machen, auf der nicht-kommunistischen. Er kämpft vorher im Spanischen Bürgerkrieg, sozusagen er kämpf nicht. Aber er ist als Kriegsberichterstatter im spanischen Bürgerkrieg. Das heißt, er ist auf der faschistischen Seite. Das heißt auf der Seite der Deutschen auch, die auch im spanischem Bürgerkrig kämpfen. Dann ist er auf französischer Seite. Das heißt, er kämpft wiederum gegen die Deutschen. Und seinem Vater macht er jetzt vor, dass er eigentlich ja ein geläuterter Kommunist ist und sozusagen ja, im eigenen Mutterland Karriere machen will. Also er dreht es sich immer so, wie das Fähnchen gerade richtig steht.
Martin Naja, also ich würde das jetzt nicht so stark machen, dass er auf Seiten von Franco gekämpft hat.
Marko Nee, gekämpft nicht, aber er war enbedded sozusagen.
Martin Er ist Berichterstatter gewesen für die Times, die sich natürlich neutral gibt, auch wenn sie natürlich eine englische oder britische Zeitung ist. Aber ja, ich denke mal, er ist da einfach getingelt, wenn man das so sagen kann, durch die Kriegsgebiete und Kriegsszenarien. Und hat da sicherlich auch Erfahrungen gesammelt und natürlich Leute kennengelernt. Ja, und dann hat er sich offensichtlich in diesen Jahren so weit und so glaubwürdig von seinen sozialistischen Jugendsünden distanziert, dass der Vater sagen kann, ja, das ist alles Kindereien damals gewesen.
Marko Ist ja schon sechs Jahre her.
Martin Ja, und der Junge ist jetzt natürlich erwachsen geworden. Also das läuft so nach dem Motto, waren wir nicht alle mal links, als wir noch jung waren und unerfahren? Und ja, dass reicht offensichtlich. Sohnemann wird beim Geheimdienst angeheuert.
Marko Und da gibt es also ein Vorstellungsgespräch unter dem Motto, junger Mann, setzen Sie sich mal. Also, wie halten Sie es denn mit dem Kommunismus? Oder gibt es da irgendwie was? Also keine Ahnung, wie wird man da zum Mi6-Agenten?
Martin Genau, also Vorstellungsgespräch, schönen guten Tag, kommen Sie mal rein. Nee, sowas hat es überhaupt nicht gegeben. Es gab wohl so etwas wie ein informelles Vorstellungengespräch, aber das war eher so zwischen Tür und Angel. Und wenn ich es richtig im Kopf habe, auch draußen irgendwo. Und da war auch unser bekannter Guy Burgess anwesend.
Marko Das ist sein Studienfreund.
Martin Genau, das ist einer der Studienfreunde aus Cambridge, den er damals auch angepriesen hat, seinem Agenten-Rekrutierer Arnold Deutsch, den wir in der letzten Folge kennengelernt haben. Und dieser Guy Burgess stand auch auf der Gehaltsliste des KGB, hat es aber in der Zwischenzeit schon zum Mi6, zum Geheimdienst geschafft. Und der hat für Philby gebirgt, hat gesagt, der Junge ist super, den nehmen wir.
Marko Wie die fünf anderen, die da saßen, die auch alle zum KGB gehörten. Das ist ja ein lustiges Spiel, dass sozusagen der gesamte Geheimdienst ja schon infiltriert ist, offenbar. Ich meine, da kommt man an und trifft den alten Kommunistenkumpel im Mi6 wieder. So ist das gelaufen.
Martin Anthony Blunt, das war auch einer dieser Leute, die auf der Liste standen. Die waren eben dann nicht beim Mi6, sondern beim Mi5. Das ist dann der Inlandsgeheimdienst. Und hatte halt da Karriere gemacht. Und der Inlandgeheimdienst, der war damals für so was wie Hintergrundchecks zuständig. Das war aber sehr, sehr kursorisch. Also das heißt, da hat sich sozusagen ein Kommunist hat den anderen gecheckt, um das zu verstehen, wie das funktioniert. Muss man wissen, dass die Kandidaten alle aus einem ganz kleinen Kreis, aus dem Establishment, kamen. Und in dem kannte natürlich jeder jeden. Philip Knightley hatte mir das erzählt, der einzige westliche Journalist, der Philby jemals ausführlich interviewt hat. Der hat mir erzählt, rekrutiert wurde über Empfehlungen. Und wer empfohlen wurde, der wurde in der Regel auch genommen. Philbys Vater hatte selbst für den Geheimdienst gearbeitet, kannte die richtigen Leute. Und so ist Philby eben reingerutscht.
O-Ton Philip Knightley, Journalist (englisch) Man muss verstehen, dass es ein kleines Kreis war, nahezu verbunden, soziale, kennenlose Gruppen. Und dass sie von Empfehlungen rekrutiert wurden. Und wenn jemand jemanden empfahl, wurde der fast nie abgelehnt. Kim kam rein, weil sein Vater die richtigen Leute kannte. Ein Mann, der mit Kims Hintergrund und Reputation mit seinem Vater und der Position, in der er in der britischen Gesellschaft war – die Mitglieder der sozialistischen Gruppe in Cambridge sprach nicht wirklich gegen ihn. Sie waren nur ein kleines Schwäche eines jungen Mannes, der aufgewachsen ist.
Martin Also Philby hatte einen hervorragenden Werdegang, haben wir eben drüber gesprochen. Und vor allen Dingen den richtigen Stallgeruch. Und das war das Wichtige. Und auf der anderen Seite muss man aber sagen, das sagte der Historiker Thomas Riegler, zum Teil war diese Rekrutierung, diese Schnellrekrutierung auf Empfehlungen auch aus der Not geboren. Denn es war Krieg 1940 und der Geheimdienst, der britische, brauchte schlicht und ergreifend Leute.
Marko Ja, da muss man sich auch mal fragen, ist das denn überhaupt so richtig attraktiv, irgendwie für den MI6 zu arbeiten? Also ich meine, das sind jetzt lauter Leute mit so exzellenten Studienabschlüssen, Cambridge, die zur Upperclass gehören, die aus reichem Elternhaus kommen, dem muss ja was geboten werden. Sonst sagen die doch nö.
Martin Das ist eine gute Frage. Das müsste man mal recherchieren, was die damals verdient haben.
Marko Philby war ja das Geld egal, hat er immer gesagt. Aber ja, jetzt ist er ja sozusagen in seiner Tarnfunktion. Da ist er doch einfach der Sohn aus reichem Hause, der ist ein vaterschen Agent war. Das heißt, das muss ja schon irgendwie, das muss nach was geschmeckt haben, was irgendwie interessant ist.
Martin Ich nehme mal an, weil eben auch diese Leute immer aus diesen gehobenen Gesellschaftskreisen kamen, war das auch nicht ganz schlecht, was die da verdient haben. Aber wahrscheinlich fürs Geld hat das keiner von denen gemacht, selbst wenn man da jetzt nicht für den KGB spionieren wollte.
Marko Außerdem war Krieg und jeder wurde genommen.
Martin Genau.
O-Ton Thomas Riegler, Historiker So etwas wie Sicherheitsüberprüfungen wie heute hat es damals nicht gegeben, de facto. Sondern es war damals natürlich eine Zeit der Mobilisierung, der Kriegsmobilisierung. Der britische Geheimdienst war vor dem Zweiten Weltkrieg relativ schwach aufgestellt und musste dann innerhalb kürzester Zeit kriegstüchtig gemacht werden. Das heißt, man hat im Grunde alle möglichen Amateure eingestellt, muss man sagen. Ian Fleming zum Beispiel ist das bekannteste Beispiel für so einen begnadeten Amateur. Ian Fleming ist der Autor von James Bond, aber er war damals für den Marine-Nachrichtendienst tätig. Und einfach unter dem Druck, dass man dieser Bedrohung durch Nazi-Deutschland etwas schnell entgegenstellen muss, sind diese britischen Geheimdienste innerhalb kürzester Zeit aufgeblasen worden zu größeren Apparaten. Und da war einfach weder die Manpower noch das Bewusstsein dafür da, dass man die Leute vor, bevor sie praktisch rekrutiert werden. entsprechend überprüfen sollte.
Martin Ja, Ian Fleming, du hast im letzten Teil gefragt, woher diese ganzen Klischees kommen. Ja, James Bond Autor Ian Flemming war eben auch beim Geheimdienst und hat da diese ganzen Nummern mit dem Loch in der Zeitung und Treffen im Park und Synchronisieren der Uhren da natürlich gelernt. Das war das Geheim-Dienst-Geschäft. So sah das aus, so blöde, klischeehaft, wie wir das vielleicht heute sehen würden in heutiger Zeit.
Marko Na ja, bei 007 natürlich auch das Geschäft mit den schönen Frauen an den tollen Orten dieser Welt, mit den größten Bösewichten und den tollsten und schnellsten Autos.
Martin Na ja, aber wie wir gesehen haben, bei Kim Philby war es ja so ein bisschen so. Die schnellen Autos jetzt vielleicht nicht, aber exotische Orte und schöne Frauen, das gab es dann offensichtlich schon. Und das hat dann später natürlich Eingang in die entsprechende Kriminal- oder Agentenliteratur gefunden. Der Punkt ist jedenfalls, dass die Leute rekrutiert worden sind, weil sie nicht großartig gecheckt wurden, weil man sich kannte und weil aber da auch gar nicht großartig geguckt wurde, weil man einfach Leute brauchte. Und das hat letztendlich, diese ganze Melange hat letztlich dazu geführt, dass Philby so lange unentdeckt bleiben konnte. So, aber jetzt müssen wir erst mal anfangen. Also, wir sind 1940. Er fängt natürlich nicht ganz unten an, sondern wenn man aus diesen besseren Kreisen kommt, dann mal mindestens im Mittelbau von so einer Geheimdienstbehörde wird man eingesetzt. Und Philby kommt zunächst zum Special Operations Executive. Das ist damals ein neugebildeter Geheimdienst für Spezialoperationen gewesen. Die haben so Sabotageaktionen hinter feindlichen Linien durchgeführt, so Versorgung von lokalen Widerstandsgruppen in Ländern, die von Deutschland besetzt sind. Anschlagsplanungen, solche Sachen, eben nicht ganz feindliche Linien.
Marko Nicht ganz ungefährlich. Klingt zumindest so.
Martin Ja, er ist da, glaube ich, nicht vor Ort gewesen, sondern da ist er eher in London eingesetzt gewesen.
Marko Schick die anderen.
Martin Schickt die anderen. Ja, nun. Irgendjemand muss da ja natürlich zu Hause die Stellung halten, sozusagen. Aber da war er nicht lange. Der ist schon kurz darauf zum SIS gekommen. Secret Intelligence Service. Das ist eben der Dienst, der besser bekannt ist als MI6. Und MI6, falls du dich das jemals gefragt hast, Military Intelligence Section 6. Das ist der komplette Name für MI6.
Marko Section 6?
Martin Ja, Abteilung 6.
Marko Ist die beste!
Martin Ich gehe da jetzt mal nicht drauf ein.
Marko Ja, frage ich. Also, weiß ich ja nicht, keine Ahnung.
Martin Nein, aber das ist eben der Auslandsgeheimdienst Großbritanniens bis heute. Und dort macht er innerhalb kürzester Zeit Karriere, weil er auch gut ist in dem, was er macht. Also er kennt nicht nur alle möglichen Leute und gehört zu diesem Kreis, sondern er ist sehr gut in dem was er tut. Und vor allen Dingen macht er es sehr schön. So schreibt ein Vorgesetzter das hier. Lies mal, Marko.
Marko Eins der beeindruckendsten Dinge, obwohl vordergründig, war das schöne Englisch seiner Berichte. Er schrieb nie Entwürfe. Trotzdem war sein Englisch großartig. Nie ein Wort zu viel, nie eine Stellungnahme offen für Interpretation. Und natürlich war da seine attraktive Persönlichkeit. Er war die Art Mann, die Verehrer gewinnen. Man mochte ihn nicht einfach. Man bewunderte ihn, stimmte ihm zu. Man verehrte ihn.
Martin Und dabei ist er auch noch einfach ein netter Typ. Und so geht das dann ganz schnell. Erst ist er für die iberische Halbinsel zuständig als Chef der Spionageabwehr. Und bis zum Kriegsende steigt er dann auf zum Chef der gesamten britischen Spionagabwehr und in dieser Zeit hat er Graham Greene kennengelernt, den Freund und Mitarbeiter, der dann später den dritten Mann schreiben sollte. Da haben wir sozusagen jetzt die Schleife, den Kreis vollständig.
Marko Also das Drehbuch zum Film dann?
Martin Der hat das Drewbuch zum Filme der dritte Mann geschrieben und hat Anfang der 40er-Jahre unter Kim Philby bei der britischen Spionageabwehr gearbeitet. So schließt sich der Kreis.
Marko Sind das denn später alle Schriftsteller geworden da?
Martin Kim Philby selber offensichtlich nicht. Aber es gibt da eine ganze Reihe, die dann anschließend, nachdem sie sich zur Ruhe gesetzt haben, geguckt haben, was mache ich denn noch so? Dann schreibe ich halt einen schönen Agentenroman. Oder zwei oder fünf oder so. Ja, also, aber zurück zu Kim Philby. Er ist nach Kriegsende dann nach Istanbul geschickt worden. Das war damals ähnlich wie Wien auch ein Knotenpunkt der Spionage. Und schließlich wird er dann Leiter der Abteilung für Bekämpfung des Kommunismus.
Marko Das ist natürlich toll.
Martin Ja, und bzw. Leiter der Abteilung für antisowjetische Operationen. Das war eine andere Abteilungen. Aber da wurde er auch Leiter davon und damit sozusagen zum Bock als Gärtner.
Marko Er berichtet dann aber in der Tat regelmäßig auch an den sowjetischen Geheimdienst.
Martin So schreibt er es selber, lies mal.
Marko Jeden Abend bin ich nach Hause gegangen mit einer großen Aktentasche voll von Berichten. Ich übergab sie meinem sowjetischen Kontakt, und am nächsten Morgen bekam ich sie zurück, nachdem der Inhalt fotografiert worden war. Ich habe sie dann frühmorgens zurück an ihren Platz gebracht. Das habe ich jahrein, jahraus so gemacht.
Martin Und genauso haben es Philbys Cambridge-Freunde gemacht: Guy Burgess beim MI6 auch. Anthony Blunt, der inzwischen eben bei MI5 war, beim Inlandsgeheimdienst. Und der ist dann später auch noch aufgestiegen und war Mitglied des Joint Committee der Regierung. Das ist eine Institution, die war zuständig für die Koordinierung der Nachrichtendienste. Also ziemlich hohes Tier. Donald McLean, auch einer der Cambridge Five, saß im Außenministerium. Und John Cairncross saß erst im Außen- und Finanzministerium und dann ebenfalls an der Spitze, fast an der Spitze von MI6, da irgendwo in den höheren Rängen. Und alle, alle lieferten ganz fleißig geheimste Unterlagen nach Moskau. Genau wie Kim Philby.
Marko Wahnsinn.
O-Ton Thomas Riegler, Historiker Also die Masse an Dokument, die die Cambridge Five beschafft haben, hat zu Zeiten die Kapazitäten der Sowjets einfach überfordert, dass man das ganze Material sichtet und auswertet. So viel ist es gewesen. Weil diese verschiedenen Agenten einfach an Schlüsselstellen innerhalb des britischen Regierungsapparates positioniert gewesen sind und also so sehr guten Zugriff auf wirklich Top-Secret-Material gehabt haben. Was das genau gewesen ist, ist zum Teil bis heute nicht wirklich bekannt, weil also die sowjetischen, russischen Archive de facto verschlossen sind. Wir wissen nur aus Rückübersetzungen von einigen Dokumenten, die freigegeben worden sind, dass also gerade Kim Philby Operationen verraten hat, Aufschlüsse darüber gegeben hat, wer arbeitet für den MI6 und so weiter, also wirklich am meisten Schaden angerichtet hat. Das dürfte definitiv der Fall gewesen sein.
Martin Ja, aber wie viel Schaden er tatsächlich angerichtet hat, das weiß man nicht, weil eben die Dokumente nicht zugänglich sind. Vor allem aber, weil dem KGB die Sache irgendwann unheimlich wurde. Und das wird jetzt ganz schräg. Das Material war so umfangreich, so hochwertig, dass in Moskau Zweifel aufkamen, ob Philby und die Cambridge Five wirklich für sie und nur für sie arbeiten. Man hat dann irgendwann eine unbeteiligte Sachbearbeiterin aus der KGB-Zentrale drangesetzt. Das hat mir Philip Knightley erzählt, der britische Journalist. Und die sollte überprüfen, diese Sachbearbeiterin, ob das eigentlich alles echt sein kann, was der Philby da liefert.
O-Ton Philip Knightley, Journalist (englisch) Aber als die KGB versucht hat, neutral auf die Karriere Kims zu schauen, und versucht hat, eine spezielle Analyse zu machen, ob er vertrauenswürdig ist oder nicht, haben sie den Job einer Innendienstmitarbeiterin gegeben, jemand, der nicht im Feld war, der keine Vorurteile hatte, und sie wurde gefragt, ob Kim echt war oder nicht, oder ob er für Dritte gearbeitet hat. Sie sagte, dass sie nicht überzeugt war, dass er echt sei, dass niemand so viel Informationen aus dem SIS-Hauptquartier bekommen könnte, mit normalen Geheimdienst-Methoden ohne dazu befugt zu sein. Deshalb spionierte er vielleicht für eine dritte Seite.
Martin Also Philip Knightley erzählt, dass diese Sachbearbeiterin zu dem Schluss kam, niemand kann mit normalen Spionage-Methoden aus einer Geheimdienstzentrale so viele Dokumente rausschmuggeln, wie das Kim Philby getan hat, ohne dass dieser jemand dazu autorisiert ist. Und der Schluss daraus war, dass Philby also möglicherweise… …Kein Doppelagent ist, also vom KGB in den Mi6 nur eingeschleust, sondern dass er vielleicht sogar ein Trippelagend gewesen ist. Also für noch jemanden anders gearbeitet hat.
Marko Für die Chinesen. Wer kommt denn da noch in Frage? Die Israelis.
Martin Die Amerikaner.
Marko Man weiß es nicht.
Martin Die Franzosen. Eigentlich jedes Land dieser Erde kommt infrage, weil natürlich jeder ein Interesse hat, jemanden beim britischen Geheimdienst sitzen zu haben, der seine Netzwerke überall in der Welt hat, durch das Commonwealth natürlich auch fast überall vertreten ist. Wenn du da jemanden drin sitzen hast, das ist natürlich top. Das ist super für fast jede Nation dieser Welt.
Marko Jetzt stellt sich natülrich die Frage: Könnte es wirklich so gewesen sein? In Wahrheit hat er für die Deutschen spioniert!
Martin Er sprach sehr gut Deutsch, ja, das ist wohl so. Er war ja auch mal in Deutschland. Natürlich denkbar ist alles.
Marko Aber wir sind jetzt schon im Kalten Krieg. Der 2. Weltkrieg ist längst vorbei.
Martin Der 2. Weltkrieg ist vorbei. Genau, da ist er dann eben… Ende des 2. Weltkrigs ist er aufgestiegen zur Spionageabwehr. Und Gegenspionage-Chef ist er geworden. Und da sind wir dann Mitte, Ende der 40er Jahre bereits. Ja, was die Frage betrifft, kann er vielleicht ein Tripple-Agent gewesen sein? Man weiß es natürlich nie so genau, solange die Dokumente nicht komplett offengelegt sind. Auch die Britischen sind nicht offengelegt. Kommen wir gleich noch zu. Aber nach allem, was wir wissen, nein, war er kein Tripple-Agent. Sondern er war überzeugter Agent für den KGB. Aber in Moskau wusste man offensichtlich lange Zeit nicht, ob man dem Braten trauen durfte.
O-Ton Thomas Riegler, Historiker Das ist dieses unglaubliche Misstrauen einfach, das gerade auf sowjetischer Seite geherrscht hat. Und es ist ja so weit gegangen, dass also Observations-Team aus Moskau geschickt worden sind nach Großbritannien, um den Cambridge Five nachzuspionieren, um zu schauen, sind die in Wirklichkeit die ganze Zeit nur Doppel-Agenten gewesen. Also arbeiten die nicht in Wirklichkeit doch auch für den MI6 und streuen nur Spielmaterial, Desinformation. Das ist das bemerkenswerte Wendung in dieser ganzen Kausa, dass im Grunde dieser Schatz an Informationen in Moskau nicht wirkliche Konsequenzen oder Folgen ausgelöst hat, weil das stalinistische Regime viel zu paranoid gewesen ist und nicht geglaubt hat, dass das sozusagen mit rechten Dingen zugeht. Sondern man war sogar der Ansicht über viele Jahre, dass die Cambridge Five in Wirklichkeit ein perfides britisches Däuschungsmanöver sind. Man hat nicht glauben wollen in Wirglichkeit, dass also Söhne des Establishments von sich aus, aus kommunistischer Überzeugung heraus, diesen Schatz an Informationen offenbaren, sondern man hat geglauben, das ist Desinformation.
Martin Ja, so ist das halt in Geheimdienstkreisen: Du weißt nie, was wahr ist und was falsch, was Maske ist und echt und was ein Trick ist, um irgendjemanden hinter das Licht zu führen. Deswegen gibt es ja nicht nur Spionage, sondern auch Gegenspionage, Maulwürfe etc. pp.
Marko Was man sich ja immer fragt, ist sozusagen, ob die Akteure selbst wissen, was um sie für ein Spiel gemacht wird.
Martin Ja, wahrscheinlich zum Teil ja, zum Teil, aber eben auch nicht. Kommt natürlich auch immer auch drauf an, wo du gerade sitzt in so einer Organisation. Dass es ein solches Spiel gibt, dass war jemanden wie Kim Philby mit Sicherheit bewusst, denn der war ja nun eben Teil der Struktur. Er war ja kein Feldagent, also jemand, der draußen ist und einen klaren Auftrag hat, irgendetwas auszuspionieren. Sondern er war in der Zentrale und er hat diese ganzen Spiele und Spionage und Gegenspionage und das alles eben eins zu eins mitbekommen. Was er natürlich nicht mitbekommt, ist, dass seine eigenen Leute, also der KGB, gegen ihn Misstrauen gehegt hat. Der hat immer seine Berichte abgeliefert und hat ansonsten lustig Karriere gemacht. 1949 ist er zum Leiter des MI6-Verbindungsbüros in Washington aufgestiegen. Und das war letztendlich sein größter Coup. Damit saß dann ein ausgebildeter sowjetischer Agent im Herzen der westlichen Geheimdienstoperation gegen die Sowjetunion.
Marko Also das ist die Stelle, die im Prinzip mit den Briten teilt, was die Amerikaner wissen.
Martin Genau, es gibt mittlerweile die Organisation Five Eyes. Da sind die Amerikaner und die Briten und die Kanadier und die Australier und ich glaube, die Neuseeländer, fünfte ist mir jetzt gerade entfallen, die sind da zusammengefasst und tauschen da im Prinzip fast alle Informationen gegenseitig aus. Und das war sozusagen der Ursprung dieser, dieser Five Eye-Organisation, wo man innerhalb der Geheimdienste extrem offen mit allen Informationen umgeht. Und das ist natürlich sensationell. Das heißt, die Sowjets, der KGB, hatte nicht nur jemanden beim britischen Geheimdienst sitzen, sondern jetzt auch noch quasi bei den Amerikanern mit auf dem Schoß. Und jetzt ist er in der Lage, Moskau vor jedem versucht zu warnen, andere sowjetische Spione aufzudecken. Und genau das hat er wohl auch gemacht.
O-Ton Philip Knightley, Journalist (englisch) Seine erfolgreichste Operation war siene Ernennung zum Liaison-Offizier beim FBI und dem CIA in Washington. Denn hier gibt es einen ausgebildeten sowjetischen Spion im Herzen der westlichen Geheimdienstoperationen gegen die Sowjetunion. Er konnte die sowjetische Union gegen jeden Versuch warnen, andere sowjetische Spione, die im Dienst der der Sowjetischen Union standen. Der Sowjetische Atombomben-Spionagering in Los Alamos war serh umfasend. Es waren etwa zehn oder acht oder zehn Personen. Und Philby hat sie geschützt.
Martin Also, Philby hat dafür gesorgt, dass Mitglieder eines amerikanischen Atomspionagerings, der für die Sowjets arbeitete, der Verfolgung entkamen. Darin waren acht oder zehn sowjetische Agenten verwickelt. Und Kim Philby, hat sie beschützt, sagt Philip Knightley. Und das konnte er natürlich an dieser Position tun, ohne dass da jemand was mitbekommen hat, dass es aufgefallen ist.
Marko Aber sagen wir mal so, wenn ständig irgendwie die Aufdeckung sowjetischer Spione vielleicht bevorsteht und das wird dann vereitelt, dann wird doch irgendwann mal jemand hellhörig und denkt sich so, naja, also wir müssen doch hier ein faules Ei hier unter uns haben…
Martin Das ist so ein Dilemma, mit dem Doppelagenten natürlich immer leben müssen. Also zu erfolgreich darfst du mit dem, was du machst, auch nicht sein als Doppelsagent. Weil sonst fällt’s natürlich auf. Und wenn du dann auch noch gerade in der Spionageabwehr bzw. Bei der Gegenspionage arbeitest, dann hast du damit ein echtes Problem. Dazu hat er auch selber mal was geschrieben. Vielleicht magst du das mal vorlesen, das nächste Seite.
Marko Wenn alle meine Operationen gegen die Sowjetunion jedes Mal scheiterten, würde ich bald gefeuert werden. Wenn ich jedes Mal Erfolg hätte, könnte ich der Sowjet Union schweren Schaden zufügen. Aus dieser Situation gab es den einen Ausweg nicht. Ich musste in allen Fällen eine Entscheidung treffen.
Martin Das hat er offensichtlich sehr geschickt getan. Und nicht nur das, er hat nicht nur seinen Posten da halten können, sondern er wurde zum Schluss sogar als Kandidat für den Chefposten gehandelt. Chefposton von MI6. Wie heißt er bei James Bond?
Marko Wie vergessen wir, wie heißt der Kerl nochmal?
Martin M.
Marko M?
Martin M!
Marko Heißt der nur M?
Martin Der heißt M, der hat keinen Namen, der heißt nur M bei James Bond. Aber das ist ein ganz, ganz ausgefuchster Trick, den M zu nennen, denn in der Realität heißt er C. Also er wurde als C gehandelt. Und hätte es auch fast geschafft, aber es klappt dann nicht ganz, Chef des gesamten Ladens zu werden. Aber natürlich liefert er weiter. Er schützt sowjetische Agenten, verrät britische und wird dabei eben niemals entdeckt. Und natürlich schickt er dabei auch seine eigenen Leute, also britische Agenten, in den Tod. Wie viel das sind, das weiß man allerdings nicht.
O-Ton Thomas Riegler, Historiker Die Zahl der Opfer muss in die hunderte mindestens gehen. Da sind zum Beispiel alpanische Widerstandskämpfer, antikommunistische dabei, die abgesprungen sind. Und es gibt also viele Beispiele von Leuten, die aufgrund von seinem Verrat, aufgrund der Informationen, die er geliefert haben, Folter und Tod erlitten haben.
Martin Ja, also zu den Agenten, die da über Albanien abgesprungen sind, zu den Britischen, da hat er auch selber was geschrieben.
Marko Die Agenten, die wir nach Albanien schickten, waren bewaffnete Männer mit dem Vorsatz, zu sabotieren und zu morden. Sie waren ebenso bereit wie ich, im Namen einer politischen Idee Blut zu vergießen. Sie kannten die Risiken. Ich diente dem Interesse der Sowjetunion und diese Interessen verlangten, dass diese Männer beseitigt werden. Hinsichtlich dessen, dass ich geholfen habe, sie zu besiegen, selbst wenn ich ihren Tod verursacht habe, bereue ich nichts.
Martin Also mit der Reue hat er es nicht so. Noch kaltschneuziger hat er Philipp Knightley geantwortet, als der ihn auf Tote angesprochen hat, für die Philby verantwortlich zeichnet.
O-Ton Philip Knightley, Journalist (englisch) Er sagte, als ich ihn auf Tote angesprochen habe, für die er vielleicht verantwortlich war: Es ist Krieg, im Krieg sterben Menschen.
Martin Ja, es ist Krieg und im Krieg sterben Menschen. Also das Gewissen von Herrn Philby scheint nicht allzu sehr belastet gewesen zu sein.
Marko Nimmt man sich mal das Vorbild, das dann sozusagen über die Kinoleinwand gelaufen ist, James Bond, da kümmert es ja auch nicht, wenn der böse Agent in den Tod stürzt oder am Ende blutig endet. Das erfreut ja den Zuschauer. Insofern trifft es ja sozusagen den Nerv der Zeit. Es geht um das Ganze, es geht ums Weltbild, es geht…
Martin Naja, es ist schon noch mal ein bisschen was anderes, weil James Bond kämpft schlicht und ergreifend – er ist auf der Seite der Guten natürlich und kämpf gegen die Bösen. Das sind das an die Kommunisten und später auch andere. Ja, nur er ist eben Doppelagent und er schickt quasi seine eigenen Leute in den Tod. Das ist schon nochmal ein bisschen etwas anderes. Also er sieht das nicht als seine eigenen Leute, das sind seine Gegner. Aber er ist für diese Leute verantwortlich. Er plant ja da eben auch Operationen und weiß ganz genau, wenn zum Beispiel diese britischen Agenten über Albanien abspringen, dann springen sie in den Tod. Also das ist ganz klar, da unten warten die schon und dann werden die eingesammelt und werden nie wiedergesehen. Und das ist natürlich schon nochmal eine andere… Kategorie, würde ich sagen, als klare Fronten, in Anführungsstrichen, zu haben. Wir sind hier auf der einen Seite, da sind auf der anderen Seite die Bösen und die Böhsen müssen natürlich bekämpft werden. Das ist schon so ein doppeltes Spiel. Und er hat dann schon auch gesagt, naja… Bei seinen Feinden, da hat er kein schlechtes Gewissen. Was ihn immer irgendwie belastet hat, das war es, seine Freunde und seine Familie anlügen zu müssen und ein falsches Spiel zu treiben. Also da hat der dann schon sehr feine Linien gezogen. Das war für ihn schon so ein bisschen problematisch. Aber wenn es dann eben um diejenigen ging, die es im Namen des Sozialismus und der Sowjetunion zu bekämpfen gab, dann gab es kein Pardon.
Marko Wir haben ja in der vorigen Folge auch über seine Frauen gesprochen und über die Rolle, die sie in seinem Leben hatten. Und die Frage der Ehefrau, ja, wer ist dir denn wichtiger? Oder was ist dir dann wichtiger, bin ich es oder ist es deine Weltanschauung? Und er sagt ja, blöde Frage. Also, dass du das dich überhaupt traust zu fragen! Also ja, das ist natürlich – er ist Überzeugungstäter.
Martin Ja, das kann man, glaube ich, sehr, sehr klar sagen. Kim Philby hat es vielleicht auch, oder mit Sicherheit auch gemacht wegen des Reizes, wegen dieses Schattenspiels. Aber sicherlich nicht wegen Geld oder Ruhm und Ehre. Das weiß man ja, dass man das nicht hat als Spion. Den Ruhm, die Ehre kriegt man vielleicht intern, aber nie in der Öffentlichkeit. Da kriegt mal höchstens Haue, wenn es mal schief gegangen ist.
Marko Hat er denn auch mal Haue bekommen, sozusagen von seiner, ja, von der MI6-Seite? Also irgendwann muss doch mal auffallen: Also irgendwie knirscht es immer, wenn der Philby seine Finger im Spiel hat.
Martin Ja, von der Seite nicht so sehr, was er selber an Aktionen gestartet hat oder was er verhindert hat, dass es erfolgreich ausgeht, sondern es kam von einer anderen Seite. Tatsächlich, Philby gerät Anfang der 1950er Jahre in Verdacht. Und zwar 1951, da gelingt es amerikanischen Codeknackern, tausende abgefangene sowjetische Telegramme zu entschlüsseln und hunderte Moskauer Informanten zu enttarnen. Und zwei davon sind Philbys Cambridge-Kumpel Guy Burgess und Donald McLean.
Marko Da kann er froh sein, dass er nicht selbst dabei war.
Martin Ja, er wird nicht enttarnt. Aber eben sein, und das weiß man im Dienst, dass die eng befreundet waren als Studenten, die haben sich gegenseitig empfohlen. Man weiß, dass das sozusagen eine alte Seilschaft ist. Und die beiden werden als sowjetische Maulwürfe enttarnt. Bevor sie aber verhaftet werden, setzen sie sich in die Sowjetunion ab. Und das ist natürlich ein Schuldbekenntnis, klar. Wenn du beschuldigt wirst, ein sowjetischer Agent zu sein und tauchst dann in Moskau auf, dann ist klar, was die Stunde geschlagen hat. Und Philby ist zu diesem Zeitpunkt First Secretary an der britischen Botschaft in Washington. Also der ist noch mal ein Stück weitergegangen. Und ist damit als dieser First Secretary der wichtigste britische Nachrichtendienstverbindungsoffizier zu den US-Geheimdiensten. Und weil er nun mal mit den beiden eng befreundet ist, muss Philby dann tatsächlich auch den MI6 verlassen. Aber nachgewiesen wird ihm nichts. Also es ist einfach nur, weil er da diese seltsame Nähe hat, muss er dann eben gehen. Und dann dauert’s noch mal vier Jahre, bis dieser Skandal öffentlich wird. Und das ist der Zeitpunkt, wo dann Philby sich genötigt sieht, sich zu rechtfertigen. Denn es wird vermutet in der Öffentlichkeit, dass es neben Burgess und McLean einen dritten Mann gibt…
Marko Da haben wir es wieder, der dritte Mann.
Martin …der zu diesem Agentenring gehören soll. Ja klar, man muss sagen, dieser Welterfolg, der Film, der dritte Mann…
Marko Der war schon raus.
Martin Der war 1949 erschienen, also ein paar Jahre alt, aber war immer noch in den Köpfen, weil es einfach so ein Riesenerfolg war damals mit Orson Welles. Und deswegen liegt das nahe, da hat sich dann irgendjemand eine Überschrift ausgedacht, eine Schlagzeile. Und hat dann überlegt, wie können wir das Ganze nennen, wenn da ein Agentenring mit drei Leuten verdächtigt wird und der Dritte fehlt? Ja klar, dann nennste das Ding Der Dritten Mann.
Marko Und keiner ahnt natürlich, dass der Dritte Mann, das Vorbild zum Dritten Mann, genau der Mann ist, der jetzt der Dritten ist.
Martin Ja genau, das ist völlig schräg. Man hat aus Versehen sozusagen die richtige Schlagzeile, die treffende Schlagzeile gefunden für Kim Philby, der in diesem Fall dann tatsächlich der Namensgeber für den Film war und in der Tat auch der Dritte Mann.
Marko Der Einzige, der es hätte wissen können, das wäre Graham Green gewesen, der der Autor von diesem Drehbuch war. Der sagt aber nichts.
Martin Soweit ich weiß, hat der sich da schön zurückgehalten. Aber wie gesagt, der Verdacht fällt auf Kim Philby. Und dann gab es 1955 eine mittlerweile legendäre Pressekonferenz, die kurioserweise in der Wohnung von Philbys Mutter stattgefunden hat.
Marko Bei Muttern in der Küche.
Martin Ja, und dort ist dann die Wochenschau aufgerockt und es existiert auch noch entsprechendes Wochenschau-Material dazu. Und natürlich wird er auch da danach gefragt, ob er der Dritte Mann sei.
Marko Das heißt, wir hören jetzt gleich die Originalstimme von Kim Philby.
Martin So ist es.
Marko Aus der Küche der Mama.
O-Ton Wochenschau Philby, auf der rechten Seite, hält eine Pressekonferenz, um Vorwürfe zu bestreiten, dass er am verschwinden von Burgess und McLean beteiligt war.
Reporter Wenn es einen Dritten Mann gab, waren Sie tatsächlich der Dritte Mann?
Philby Nein, war ich nicht.
Reporter Glauben Sie, es gab einen?
Philby Keinen Kommentar.
Reporter Mr. Philby, das Verschwinden von Burgess und McLean ist heute fast ein so großes Geheimnis, wie zum Zeitpunkt, als sie vor vier Jahren verschwunden sind. Können Sie etwas zum Erhellen der Sache beitragen?
Philby Nein, kann ich nicht.
Marko Ganz schön einsilbig.
Martin So richtig auskunftsfreudig ist er nicht. Also, er sagt danach noch ein paar Sätze von ganz allgemeiner Natur. Aber das läuft alles unter dem Motto, viel reden, nichts sagen. Er hat da letztendlich auch…
Marko Also er hat nicht mal viel geredet. No comment. Also, nö, ich war es nicht.
Martin Ja, also da folgen halt noch ein paar Sätze hinterher. Das ist aber wirklich sehr allgemeiner Kram und letztendlich auch nicht mehr als nein, ich bin es nicht gewesen und mehr kann ich nicht sagen. Was interessant ist, wenn man diese Wochenschau-Bilder sieht, dann sieht man so ein verschmitztes Lächeln auf seinem Gesicht. So einen ganz leichten Anflug, so als würde er dieses Spiel genießen. Dass er da gefragt wird und er kann da so antworten, ohne was zu antworten. Und ich habe Philip Knightley danach gefragt, den britischen Journalisten, und der glaubt noch etwas ganz anderes zu erkennen. Der sagt, Philby sei so selbstsicher gewesen, dass er die Zunge in der Wange rollt, so als würde er eingeweihten ein Zeichen geben, dass er lügt.
O-Ton Philip Knightley, Journalist (englisch) Er muss ziemlich selbstsicher gewesen sein, denn wenn man die Newsreel-Fotos sieht, wenn er gefragtz wird, ob er der dritte Mann war, dann sieht man, dass er die Zunge in der Wange rollt, so als würde er ein geheimes Zeichen geben für diejenigen, die ihn kannten, dass er lügt.
Marko Also wenn ich so mache… dann heißt das, ich lüg gerade…?
Martin Ja, man weiß es nicht. Also er glaubt das da zu erkennen. Auf jeden Fall ist es wieder eine Situation, wo er, man weiss nicht genau, ob ihm wirklich geglaubt worden ist, aber auf jeden Fall konnte man ihm nichts nachweisen. Man hat nichts Konkretes in der Hand gehabt gegen ihn.
Marko Aber da ist man ja schon so ein bisschen angeschossen. Also man kann doch jetzt nicht sagen, der stolpert jetzt weiter die Treppe rauf, wenn es so einen Verdacht gibt, wird man doch wahrscheinlich sagen, okay, Mr. Philby, bis hierhin vielen Dank. Wir können Ihnen nichts nachweisen, aber es gibt natürlich irgendwo eine schöne Stelle für Sie an einem unbedeutenden Posten, irgendwo im Nirwana.
Martin Ja, hast du jetzt richtig spekuliert, genau das ist passiert. Er ist ja schon offiziell 1952 aus dem MI6 ausgeschieden. Aber man hat ihn dann weggeschickt, auch damit er in London aus dem Kreuzfeuer ist, nach Beirut. Und hat ihn da so ein bisschen ein paar kleine Jobs machen lassen, quasi so ein wenig aus der Schusslinie genommen. Was dann eben auch der Grund war: Der hatte in London offensichtlich keine Wohnung mehr, deswegen hat diese Pressekonferenz auch in der Wohnung seiner Mutter stattgefunden. Er ist dann also extra dafür nach London zurückgekommen und hat diese Pressekonferenz gegeben. Ja, er war angeschossen, er musste sich da befragen lassen. Und er hat dann aber auch nochmal Unterstützung bekommen vom britischen Außenminister. Der hat nämlich quasi ein, wie sagt man, ein Ehrenbezeugnis im britischen Unterhaus abgegeben. Kanste ja mal vorlesen.
Marko Ich bin jetzt der Außenminister?
Martin Harold Macmillan heißt er, ja.
Marko Es wurden keine Beweise dafür gefunden, dass Philby verantwortlich dafür war, McLean und Burgess zu warnen. Während seiner Dienstzeit hat er seine Pflichten fähig und gewissenhaft erledigt. Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass Mr. Philby zu irgendeinem Zeitpunkt die Interessen seines Landes verraten hätte oder ihn als den sogenannten dritten Mann zu identifizieren – falls es denn einen dritten Mal gegeben hat.
Martin Ja, das alles, auch diese Ehrenerklärung, war 1955. Und 1951 ist der erste Verdacht auf ihn gefallen. Also vier Jahre lang ist da ja quasi nichts passiert. 1951 sind McLean und Burgess aufgeflogen. Und es gab diesen Verdacht gegen Philby. Und seitdem haben die Amerikaner zumindest Philby nicht mehr über den Weg getraut. Es gibt da ein Statement von einem FBI-Agenten der Gegenspionage. Ein gewisser Robert Lamphere, der diesen Spionagering auch mit hat aufliegen lassen, dem McLean und Burgess zum Opfer gefallen sind. Und der hat Folgendes geschrieben.
Marko Vom Sommer 1951 an hatte ich keinerlei Zweifel, dass Philby ein sowjetischer Spion war. Von da an nannte ich Philby auch offen einen Spion bei meinen FBI-Seminaren. Ich habe nie verstanden, warum der SIS nichts gegen ihn unternahm. Ich kann mir nur vorstellen, dass es mit dem Netzwerk von alten Jungs zu tun hatte und dessen Unvermögen sich vorzustellen, dass jemand aus der Oberschicht die eigene Klasse verraten könnte.
Martin Tja, und genauso scheint es gewesen zu sein. Denn auch der britische Inlandsgeheimdienst, also der MI5, war offensichtlich früh überzeugt, dass Philby ein Doppelagent ist. Und das bestätigen auch noch mal Dokumente, die vor nicht allzu langer Zeit freigegeben worden sind und die der Wiener Historiker Thomas Riegler einsehen konnte.
O-Ton Thomas Riegler, Historiker Und da wird sehr deutlich, dass der MI5, also der britische Inlandsgeheimdienst, ihn schon sehr lange, also ab 1953 in Wirklichkeit, als möglichen sowjetischen Spion auch identifiziert gehabt hat und überzeugt war, dass er ein Verräter ist. Der könnte jederzeit praktisch in einem Ostblockland flüchten. Und trotzdem ist Philby noch weiterhin tätig, allerdings nicht mehr im MI6. Er wird ja mit einem Golden Handshake verabschiedet. Aber man schickt in 1955 nach Beirut, wo er als Journalist tätig sein soll und aber gleichzeitig immer noch ein bisschen was für MI6 arbeiten wird. Warum war das so möglich? Weil einfach seine unmittelbaren Vorgesetzten beim MI6 immer überzeugt waren von seiner Integrität. Sie haben ihn immer als extrem harten Arbeiter erlebt, haben da auch seine Freundschaft genossen, weil er nämlich ein sehr amikaler und charismatischer Gesprächspartner gewesen ist. Und bis zum Schluss waren die überzeugt davon, dass er kein Verräter sein kann, weil er als Teil von diesem Old-Boys-Network gewesen ist, was praktisch auf diesen Elite-Universitäten gewesen ist. Und ein Gentleman, unter Anführungszeichen, der kann kein Veräter sein, so war damals die Ansicht.
Marko Also da hat der amerikanische Agent vollkommen recht gehabt.
Martin Die haben schon über 10 Jahre, bevor er dann tatsächlich aufgeflogen ist, haben die ganz klar gesagt, das muss ein Doppelagent sein. Und wenn der das in seinen Seminaren, die er Agenten gibt, sagt, pass mal auf, die haben da eine faule Pflaume im Korb liegen, dann waren die felsenfest davon überzeugt, dass es auch so ist. Und offensichtlich ist dann dem MI6 auch so schummerig geworden, dass man Philby nach Beirut entsorgt hat, aus der Schusslinie genommen hat. Aber ihm ist nichts passiert. Und das hat gedauert bis 1963. Was da genau passiert, das ist unklar. Aber offenbar wird Philby seinen alten Kumpels in London zur Last. Die wollen ihn loswerden. Und nach Jahren der Stille sollte es ein Treffen geben. Aber nicht in London, sondern in Beirut. Das war offensichtlich ungewöhnlich, sagt jedenfalls Philby. Und der hat dann eben Verdacht geschöpft.
Marko Die Organisation des Treffens in Beirut und nicht in London, so wie der Vorschlag eines für mich unannehmbaren Geschäfts, waren meiner Ansicht nach so ausgelegt, mich zur Flucht zu bewegen. Denn das Letzte, was zur damaligen Zeit die britische Regierung gebrauchen konnte, war mein Aufenthalt in London. Und ein Skandal um den Geheimdienst mit einem sensationellen Gerichtsprozess.
Martin Und deswegen versteht das Philby als Wink nach dem Motto, guck, dass du Land gewinnst.
Marko Verpiss dich, sonst wirst du ausgeknipst.
Martin So sieht es aus, ausgeknippst oder wie auch immer. Und er flüchtet deswegen Anfang 1963 nach Moskau. Als das ein halbes Jahr später bekannt wird, löst das einen Riesenskandal aus. Also es wird dann doch öffentlich. Es stellt sich heraus, dass er eben doch der 3. Mann gewesen ist, einer der ranghöchsten Geheimdienstagenten Großbritanniens: ein Maulwurf des KGB.
Marko Aber die Moskauer haben gesagt, jetzt kannst du ruhig zu uns kommen. Also unser Verdacht, dass du sozusagen ein 3-fach-Spion bist, das lassen wir jetzt mal außen vor. Hätte man jetzt ja als sowjetischer Geheimdienst drauf kommen können, unter dem Motto schicken sie den Maulwurf sozusagen postgehend zu uns.
Martin Auf die Idee könnte man kommen und wie seine Führungsoffiziere und die Leute beim KGB ihm dann gegenüber begegnet sind, da sprechen wir gleich noch drüber. Jetzt ist es aber erst mal 1963. Und da gibt es dann eben diesen Journalisten, Philip Knightley, der für die Times schreibt und auf Philby angesetzt wird. Und der schreibt ihm Interviewanfragen, jedes Jahr eine. Und zack, 25 Jahre später bekommt er die Zusage. Und dann fährt Philip Knightley im Januar 1988 nach Moskau und trifft diesen Kim Philby tatsächlich. Und dem geht es offensichtlich gut im Moskauer Exil. Der hat zu dem Zeitpunkt 1988 eine schöne Wohnung, hat Leute, die für ihn Besorgungen machen, kann durch den Ostblock reisen und hat offensichtlich ein ganz angenehmes Leben.
O-Ton Philip Knightley, Journalist (englisch) Ich denke, dass er sich daran gewöhnt hat. Er hatte eine sehr schöne Wohnung, er hatte Leute – keine Bediensteten, aber Leute, die für ihn Besorgungen machten, Bolshoi-Tickets und Shoppen gingen. Er reiste im Sowjet-Block herum. Ich denke, dass er auch in Kuba war. Ich weiß nicht, er hatte ein angenehmes Leben. Man darf nicht vergessen, dass, obwohl er Engländer war, er nicht viel Zeit in England verbracht hat. Er wuchs in Indien auf und war viel im Ausland unterwegs für die Zeitungen, und Ich denke, dass er bestimmte britische Dinge vermisst hat, die Times, Cricket und so weiter. Aber er war anpassungsfähig, und er hat sich angepasst.
Martin Es gab offensichtlich Dinge, die er vermisst hat, die Times und Cricket hat er vermisst…
Marko Aber ich mein, die Times haben die wahrscheinlich beim Geheimdienst auch gelesen in Moskau.
Martin Ich weiß jetzt auch nicht ganz genau, ob das mit der Times stimmt. Ich habe an anderer Stelle gelesen, dass er täglich das Kreuzwort-Rätsel in der Times gelöst hat. Offensichtlich hat die Times den Weg auch bis nach Moskau gefunden. Aber was eben Knightley sagt, ist, dass er – Philby – anpassungsfähig war und sich dann eben auch angepasst hat. Knightley hat ihm das nicht so ganz abgekauft. Aber Philby hat sehr insistiert.
Marko Verstehen Sie nicht, die Sowjetunion ist meine Heimat. Und obwohl mein Leben hier einige Schwierigkeiten birgt, möchte ich nirgendwo sonst leben. Ich mag den dramatischen Wechsel der Jahreszeiten. Selbst die Suche nach seltenen Waren macht mir Spaß. Ich mag es hier.
Martin So eindringlich sagt er es dem britischen Journalisten gegenüber.
Marko Du hast Zweifel.
Martin Das ist schon wieder ein bisschen verdächtig, ja. Denn Philby hat einerseits in 25 Jahren nie Russisch gelernt. Er hat andererseits ein dickes Alkoholproblem gehabt. Der hat sich nicht nur abends gern einen geschengelt, sondern offensichtlich sehr häufig einen zu viel.
Marko Und du hast erzählt, dass er eigentlich sehr sprachbegabt war.
Martin Ja, genau. Er sprach mehrere Sprachen, aber Russisch hat er nicht gelernt. Er hatte dort zwar eine ganze Menge von Annehmlichkeiten, aber – und das ist der Punkt, da komme ich noch mal auf Deine Frage von vorhin zurück – er ist nie richtig herzlich aufgenommen worden in der KGB-Geheimdienst-Community. Die haben ihn immer mit einem gewissen Argwohn betrachtet.
Marko Aber ihm muss mittlerweile klar geworden sein, die gröbsten Jahre des Stalinismus waren ja auch vorüber. Und man kann ja auch durchaus Mitte der 50er, Ende der 50ern Zweifel an diesem sowjetischen System haben. Das haben die Sowjets ja selber.
Martin Wir sind mittlerweile Mitte der 60er.
Marko Ach so, ja Gott, noch schlimmer! Also, da kann man ja schon Zweifel an diesem System haben, wenn man Mitte der 60er darauf guckt. Die Sowjets haben es ja selbst gehabt mit Chruschow, der ja letztendlich mit dem Stalinismus gebrochen hat. Vielleicht war es ja auch gar nicht mehr seine Weltanschauung. Oder man muss denn was saufen, damit man sich es schön trinkt.
Martin So hat er es aber auf jeden Fall dargestellt, dass das immer noch seine Weltanschauung wäre. Ich glaube, es ist auch schwierig, das wissen wir ja auch aus anderen Biografien, wenn man so lange für ein System, an das man geglaubt hat, gearbeitet hat, nicht nur gearbeitet, sondern dafür Menschen über die Klinge hat springen lassen, in den Tod geschickt hat, bewusst, dann ist es natürlich schwierig, davon zu lassen. Und ich glaube, in den 60er Jahren war das für ihn auch keine Frage. Also es gibt keine Belege in irgendeiner Form, dass er da jetzt nun Zweifel an der Richtigkeit des sowjetischen Systems gehegt hat. Vielleicht hat er die gehabt, aber dann – achtung Wortspiel! – Im Geheimen. Und was ihn dagegen wirklich gewurmt hat, ist, dass er beim sowjetischem Geheimdienst nicht die Anerkennung bekommen hat, die er glaubte, dass sie ihm zustünde.
O-Ton Thomas Riegler, Historiker Er muss von Anfang an feststellen, dass man ihm auch jetzt nicht traut. Er wird praktisch unter Verschluss gehalten, mit extremen Sicherheitsvorkehrungen rund um seine Wohnung. Und es hat sich erst zum Lebensende von Philby hin ein bisschen entspannt. Der wurde dann eingeladen auch, Schulungen durchzuführen und so weiter. Aber er wurde als Postum gehehrt öffentlich. Er war von Anfang an der Meinung, er hat irgendeinen Offiziersrang im KGB und musste dann feststellen, als er vor Ort war, dass die ihn eigentlich als potenziellen Doppelagenten ansehen. Und es ist also bis zum Schluss, hat es diese Vermutungen offenbar gegeben und man ist ihnen nachgegangen, als zum Beispiel der Otto John, der Präsident des Verfassungsschutzes, für einige Zeit in Ostberlin auch festgehalten worden ist, da sollen ihnen die KGB-Befrager danach gefragt haben, ob der Philby jetzt ein Doppelagent ist. Dieses Misstrauen ist er nie losgeworden.
Marko Also die Entführung des Otto John.
Martin Genau, der Verfassungsschutzpräsident.
Marko Darüber gibt es ja mittlerweile eine eigene Folge der Geschichtsmacher. Wir werden das nochmal in den Show Notes verlinken. Ja…
Martin Offensichtlich ging dieses Misstrauen eben so weit, dass eben so jemand wie Otto John, der in Westdeutschland beim Verfassungsschutz war und Überläufer war, dass der danach befragt worden ist. Und dieses Misstrauen gegen ihn hat wohl bis zu seinem Lebensende angehalten. Das wird auch klar aus dem, was sein Führungsoffizier irgendwann mal später auch gesagt hat.
Marko Also das ist der sowjetische Führungsoffizier für Philby?
Martin Genau.
Marko Er wirkte psychologisch komplett wie ein Offizier des britischen Geheimdienstes. Er sah aus wie einer. Wir dachten, er könnte nie etwas anderes sein.
Martin Tja, das ist vielleicht die Tragik eines extrem guten Geheimdienstmannes, eines Spions, dass am Ende seine eigenen Leute, die Leute, die ihn beauftragt haben, den anderen Geheimdienst zu unterwandern, dass die ihm nicht mehr glauben bis zum Lebensende – 1988 ist er gestorben, ein paar Monate nachdem Philip Knightley ihn interviewt hat.
Marko Auf natürliche Art und Weise?
Martin Davon gehen wir jetzt mal aus. Nähere Informationen dazu habe ich nicht. Er ist auf jeden Fall anschließend geehrt worden. Das erste Mal und das einzige Mal offiziell – mit einer Briefmarke.
Marko Das ist ja mal ungeheim. zum Anlecken, na herrlich!
Martin Das war dann offensichtlich der Dank des sowjetischen Vaterlandes für den Spion Kim Philby.
Marko Apropos Dank. Wir müssen uns auch bedanken.
Martin Bei einer ganzen Reihe von Leuten, die uns über die letzten dreieinhalb Jahre und über die fast 90 Folgen unterstützt haben. Sie hätten alle eine Briefmarke verdient. Aber es muss jetzt mal reichen, dass wir Ihren Namen nennen.
Marko Den ersten, den wir auf unseren Abschiedsbrief draufkleben dürfen, ist der Franz.
Martin Der hat nämlich unsere Homepage zusammengebastelt und betreut.
Marko Und wenn wir gegangen sind, wird die Homepage bleiben.
Martin Das ist schön und somit ein Stückchen vom Franz.
Marko Dann sagen wir natürlich Dank an alle, die tief ins Portemonnaie gegriffen haben, um uns auf Steady zu unterstützen.
Martin Und uns über, ja, Jahre muss man sagen, teilweise hier unterstützt haben. Das hat uns sehr gefreut.
Marko Es waren nicht so viele. Wir könnten sie namentlich nennen, aber einige davon wollen es nicht. Deswegen schweigen wir an dieser Stelle. Wer aber in die Öffentlichkeit getreten ist, weil er oder sie bei uns zu Gast waren, die sollten alle genannt werden. Martin hat die in alphabetische Reihenfolge gebracht.
Martin So sieht’s aus.
Marko Die Nennung hier ist keine Wertung. Wir haben lauter nette Kollegen, Kolleginnen und Gäste, die wir hier nennen. Ich fange mal an.
Marko und Martin im Wechsel Mark Bennecke war bei uns. Die Kollegin Monika Buschey. Irene Dänzer-Vanotti, Irene Geuer, Maren Gottschalk, der Podcast-Kollege Ralf Grabuschnik, die Marfa Heimbach. Kerstin Hilt. Andrea Kaht, Herwig Katzer, Andrea Klaasen der Köln-Lotse Uli Kievernagel. Thomas Klug, unser häufigster Gast, aus Berlin immer zugeschaltet. Wolfgang Mayer. Thomas Pfaff. Christoph Schmälzle. Carmen Thomas. Anja Tröllenberg – Kollegin vom Deutschlandfunk. Franziska Tschinderle, Ihre Kollegin. Daniela Wakonigg vom Zeitzeichen. Der Heiner Wember, der Kollege Matthias Wurms. Und Frank – mit Z – Zirpins.
Martin An alle die Kollegen einen Riesendank. Was man ja auch sagen muss, ich glaube Dir ist es genauso gegangen – wir kennen die meisten natülrich vom Zeitzeichen. Aber wir haben sie durch diese Arbeit bei den Geschichtsmachern noch mal näher kennengelernt und neu kennengelernt und ich glaube auch schätzen gelernt noch mal mehr als wir das vorher getan haben.
Marko Ohne sie hätten wir das alles hier keine drei Jahre, mehr als drei Jahre durchgehalten. Und man muss sagen, auch die haben dafür außer unseren warmen Händedruck und manchmal eine kalte Pizza nichts bekommen.
Martin Und manche sind sogar wieder zurückgekommen zweimal, dreimal, viermal, fünfmal und insofern haben wir die Vermutung, dass es ihnen auch ein bisschen Spaß gemacht hat. Aber nichtsdestotrotz, es war viel Arbeit und wir haben davon profitiert. Ganz, ganz herzlichen Dank nochmal dafür.
Marko Diejenige aber, die uns am längsten die Treue gehalten hat, die immer an uns geglaubt hat und Feenstaub auf uns ausgeteilt hat am Ende, wenn die Produktion zu Ende war, das ist Sarah Fitzek.
Martin Jawoll, nicht direkt auf uns hat sie ihren Feenstaub ausgeteilt, ihren tontechnischen, sondern natürlich auf unsere Folgen und hat sie nochmal, wie sagt man, lecker gemacht am Ende, damit sie schön klingen.
Marko Euch allen Dank. Martin, Danke.
Martin Vielen Dank, hat Spaß gemacht mit dir.
Marko Tschüss Ihr da draußen.
Tschüss.
Die Geschichtsmacher © 2025 Herzog / Rösseler
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